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"Wir brauchen ein Grundlagenwerk"

02.07.2001 - Robert Bidmon und Friedemann Nerdinger über Dialogmarketing an den Unis.

mac Freitag, 14 Uhr. Wie an jeder anderen Universität hat sich auch das Gebäude der mecklenburgischen Uni Rostock zu diesem Zeitpunkt merklich geleert. Eine Dialogmarketing-Vorlesung, die rund 80 Studenten an diesem Freitag und am folgenden Samstag in Beschlag nimmt, muss daher über eine gewisse Attraktivität verfügen. Referent: Robert K. Bidmon, Leiter des Projektes Deutsche Forschungszentren für Direktmarketing. Was Bidmon den Studenten vermittelt, hat sich in der Praxis bewährt: Die Studenten hören das bekannte Siegfried-Vögele-Seminar. Seit gut zehn Jahren gibt der Psychologe und Direktmarketing-Fachwirt an der Uni München und anderen Hochschulen sein DM-Wissen zum Besten als Teil des Projektes Deutsche Forschungszentren für Direktmarketing (DFD).
Das DFD wurde von der Uni München und der Siegfried-Vögele-Stiftung gegründet und soll nicht nur Studenten für das Dialogmarketing begeistern, sondern auch in dialog-relevanten Bereichen forschen. Zum Projekt gehören auch ein 14-tägiges Seminar mit Dozenten aus der Praxis sowie die Unterstützung studentischer Forschungsarbeiten. Mehrere universitäre Diplomarbeiten sind auf diese Weise entstanden. In Rostock startete Bidmon 1999 das DFD am Lehrstuhl von Professor Friedemann W. Nerdinger, Autor diverser Werke im Bereich der Wirtschafts- und Organisationspsychologie, u.a. Die Psychologie des persönlichen Verkaufs.

ONEtoONE: Herr Bidmon, Herr Nerdinger, was sind die großen Themen an den deutschen Universitäten in Bezug auf das Dialogmarketing?
Robert K. Bidmon: Database-Marketing, CRM, E-Commerce ... Im Bereich des Internet wird zurzeit sehr viel Forschung betrieben. Das kann ein einzelner DMler gar nicht mehr überblicken.
OtO: Das DFD ist eng mit dem Begriff Psychologie verbunden. Warum?
Bidmon: Psychologie ist praktisch. Im Marketing geht es letztendlich darum, das Verhalten und Erleben der Menschen zu beeinflussen. Die Marketer wollen, dass die Leute "Ja" sagen oder sie wollen ein Image ändern - das sind grundlegende psychologische Themen.
Friedemann W. Nerdinger: Ein ganz großes Merkmal unserer Wahrnehmung ist die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Neue Methoden schaffen neue Bedingungen, auf die der Wahrnehmende reagiert und wodurch sich die Wahrnehmung verändert. Wir wissen doch bis heute nicht, warum es zum Einkauf kommt.
Bidmon: Genau das ist sehr interessant: Wie kommt es zum Response? Hier fehlen Theorien. Sicherlich, so manche Praxiserkenntnis wird von den Psychologen oder den Wissenschaftlern erst nachträglich belegt. Da sagt dann der Praktiker: "Siehste, wir haben es schon immer gewusst."
OtO: Welchen Nutzen zieht denn der gemeine Dialogmarketer aus einer solchen Forschung?
Bidmon: In der Branche hört man häufig, an Unis tue sich nichts. Ich halte es eher für ein Verständnisproblem, dass einige nicht erkennen, was an den Universitäten gemacht wird.
Nerdinger: Das liegt natürlich auch an uns. Akademiker verwenden Begriffe und Artikel, die nur in unserer Community verständlich sind. Aber der Trend geht - auch an unserer Uni - dahin, den Kontakt zur Praxis zu intensivieren. Wir sollten daher die Direktmarketer überzeugen, dass das, was wir produzieren, auch für sie brauchbar ist. Da muss aber auch von der anderen Seite eine Bereitschaft vorhanden sein, Diplomarbeiten zum Thema DM zu verwenden.
Bidmon: Es gibt genügend ausgebildete Fachkräfte an den Universitäten, die die DM-Marketingprozesse kennen und über sehr viel Detailwissen verfügen.
OtO: Wie stark ist denn das Dialogmarketing an den Unis vertreten?
Nerdinger: Viele Marketingprofessoren haben gewisse Berührungsängste. Das hängt mit der klassischen Marketingausbildung zusammen, in der das Dialogmarketing kaum einen Stellenwert hat. Aber es lässt sich bei der nachwachsenden Akademikergeneration ein Wandel feststellen.
OtO: Hätte eine Bündelung in Form eines eigenen DM-Lehrstuhls einen reellen Mehrwert?
Nerdinger: Ich denke schon. Aber es ist nicht mit der Ausschreibung eines Lehrstuhls getan. Es gibt zwar hervorragende Praktiker, aber man braucht einen akademisch Gebildeten. Und wie wird eine solche Professur in den Fachbereich eingebunden? Jeder Student lernt im Grund- und Hauptstudium die Grundlagen der BWL. Einen hochgradig auf Direktmarketing ausgerichteten Spezialisten auf einem DM-Lehrstuhl kann man dafür kaum einsetzen.
OtO: Halten Sie also die Einrichtung eines DM-Lehrstuhl für unmöglich?
Nerdinger: So habe ich das nicht gesagt. Der Lehrstuhlinhaber sollte aber in der Lage sein, auch an der Grundausbildung der Studenten konstruktiv mitzuwirken und zumindest eine Grundlagenvorlesung halten können. Eine Stiftungsprofessur wird ja nur auf fünf Jahre angelegt. Die Universität muss daher an anderer Stelle sparen, um den Lehrstuhl zu integrieren, und das geht nur, wenn dieser einen substanziellen Beitrag zur Ausbildung leisten kann. Nicht, dass ein DM-Lehrstuhl völlig aussichtslos wäre. Aber es reicht nicht, wenn der Kandidat ein reiner DM-Spezialist ist.
OtO: Was wäre dessen Aufgabe im DM?
Nerdinger: Er muss bereit sein für die Grundlagenforschung. Es gibt im Direktmarketing das gleiche Problem wie bei den E-Commerce-Lehrstühlen: Es existieren keine Lehrbücher. Die müsste er erstmal selbst schreiben.
Bidmon: Immerhin gibt es erste Ansätze - hier wäre beispielsweise Heinz Dallmer und dessen Handbuch des Direktmarketing zu nennen. Es ist nicht so, dass es nichts gibt, wie die Branche manchmal denkt.
Nerdinger: Der, der als DM-Professor als erster anfängt, ist ein Pionier! Er müsste gewaltige Aufgaben bewältigen, um das Dialogmarketing als wissenschaftliche Disziplin zu etablieren.
OtO: Sie erwähnten die Literatur
Nerdinger: Sie finden in den Bibliotheken in der Tat praxisorientierte Literatur,
Bidmon: ... massenhaft ...
Nerdinger: ... aber wo ist die wissenschaftlich fundierte Literatur, von der man sagen könnte: "Das lässt sich als Lehrbuch des Direktmarketing verwenden, als Grundlage für eine Vorlesung?" Wir brauchen ein Grundlagenwerk, das uns mal den gesamten Ablauf erläutert, vom Kontakt zum Verkauf, über alle Stufen, sodass wir von da aus punktuell in die Tiefe forschen können.
Bidmon: Es fehlt zumindest aus psychologischer Sicht ein Grundlagenwerk. Dialogmarketing ist ein Thema, das neue Fragen aufwirft.
OtO: Welche Rolle spielen hier die Weiterbildungsakademien, die ja schon seit geraumer Zeit existieren?
Bidmon: Der Stellenwert dieser Akademien für die Ausbildung des Nachwuchses kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hier wird How-to-Wissen erfolgreich vermittelt. Die Universitäten vermitteln eher Hintergrundwissen und lehren auch Inhalte wie etwa Statistik, Methodik etc..
Nerdinger: Überhaupt - in der praktischen Ausbildung hinken die Unis hinterher. Praktiker sollten die Möglichkeit haben, sich über uns weiterzubilden. Aber der klassische deutsche Bildungsweg steht dem entgegen. Wir überlegen beispielsweise, in Rostock einen Studiengang Call-Center-Manager einzurichten. Das Problem: Der Lehrstuhlinhaber muss ein Akademiker mit entsprechender Qualifikation sein.


80 Studenten saßen im Rostocker Seminar. Einige Meinungen zu DM:

"Für meine Uni-Ausbildung hat es keine Bedeutung, aber man
hat mir erzählt, dass es später die Berufschancen verbessert."

"Ich stehe am Anfang des Studiums, und es interessiert
mich natürlich zu wissen, was dahinter steckt."

"Bis zur Anmeldung vor drei Tagen hatte ich
einen negativen Eindruck vom DM. Jetzt nicht mehr."

"Unser Marketingprofessor hat uns das Seminar
ans Herz gelegt - da haben wir uns einfach angemeldet."

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