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Wie verkaufe ich lexikalisches Wissen?

30.07.2001 - Nachschlagewerke: Bertelsmann will Brockhaus Direktvertriebe übernehmen.

Das Wissen der Welt findet sich im Internet - egal, was man sucht, irgend ein Enthusiast hat es mal ins Netz gestellt. Mittendrin sind die großen Marken aus der Offline-Welt mit einer entsprechenden Glaubwürdigkeit, die das Internet als zusätzlichen Vertriebskanal ihres lexikalischen Contents entdeckt haben. Eine 24-bändige Enzyklopädie vermittelt allerdings in gedruckter Form eine Ästhetik, mit der keine CD-ROM oder Website konkurrieren kann. Verkauft wird solch ein Edelprodukt im Direktvertrieb. "Ein schwieriges Geschäft", so Klaus Holoch, Pressesprecher des Verlags Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus in Mannheim. Brockhaus hat sich daher einen Partner gesucht: Die Bertelsmann-Tochter InmediaONE will die Brockhaus Direktvertriebe übernehmen.
Die Übernahme der rund 150 Brockhaus-Außendienstler der erst 1990 gegründeten Tochter, die sich vorrangig um den Absatz der altehrwürdigen 24-bändigen Brockhaus Enzyklopädie kümmert, bedarf noch der Zustimmung des Kartellamtes. InmediaONE hat mit Brockhaus zugleich eine "umfassende Vertriebskooperation" abgeschlossen, wodurch die Enzyklopädie auch weiterhin im Direktvertrieb beworben wird - zusammen mit entsprechend hochpreisigen Bertelsmann-Produkten wie der Lexikothek. Brockhaus will sich künftig mehr auf das klassische Verlagsgeschäft konzentrieren.
"Das Bedürfnis nach Wissen hat es immer gegeben", sagt Holoch. Zurzeit aber sind Lexika so richtig gefragt: "Wir registrieren bei ein-, drei- und fünfbändigen Lexika einen Riesenboom", so Holoch. Grund: die allgemeine Quiz-Euphorie, die durch TV-Events wie zum Beispiel ‘Wer wird Millionär?´ ausgelöst wurde. Lexika richten sich an eine breite Zielgruppe, sagt Martina Rausch, zuständig für Marketing beim Mitbewerber Bertelsmann Lexikon-Verlag in Gütersloh. Das Nachschlagewerk gilt mitunter als Wertanlage. Und: "Wenn jemand ein Lexikon kauft, dann, weil ihn aktuell ein bestimmtes Thema interessiert und er sich darüber mehr informieren möchte", sagt Rausch.
Der Verkauf läuft natürlich auch über das Internet. Eine andere Sache ist die Beschaffung von Wissen via Web-Browser. Im Jahr 2000 - nach einem Intermezzo eines online nur eingeschränkt nutzbaren Meyer-Lexikons - ging mit xipolis der lexikalische Content ans Netz. Xipolis ist ein Joint Venture von Brockhaus und der Holtzbrinck Verlagsgruppe.
Das Angebot wird laufend um die lexikalische Substanz beider Verlage erweitert, seit kurzem sind auch Fremdsprachen-Wörterbücher und naturwissenschaftliche Nachschlagewerke integriert. Viele Dienste sind kostenlos nutzbar. Zum ersten Mal aber war es mit xipolis im B-to-C-Bereich möglich, via Internet auf den 24-bändigen Brockhaus zuzugreifen - allerdings nur gegen Bezahlung.
"Wir wurden damals kritisch beobachtet", erinnert sich xipolis-Geschäftsführer Michael Munz. Wen wundert´s, war doch das britische Brockhaus-Pendant, die Encyclopaedia Britannica, zuvor mit einem Abo-Dienst rundherum gescheitert - sie stellte daher ihren gesamten lexikalischen Content kostenlos ins Netz.
18.000 Mitglieder zählt xipolis mittlerweile, etwa 6.000 haben den E-Mail-Newsletter abonniert, der zu aktuellen Themen lexikalisches Hintergrundwissen bietet. Demgegenüber verzeichnet die vergleichbare Plattform wissen.de 52.000 Nutzer, 37.000 Abonnenten zählt der E-Mail-Newsletter-Dienst. Der kleine Unterschied: Die Bertelsmann-Tochter wissen.de ist komplett kostenlos abrufbar.
Xipolis hält am Billing-System fest. Und auch wissen.de kokettiert mit dem Gedanken, den Endverbraucher zur Kasse zu bieten. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir zu gegebenen Zeiten kostenpflichtige und aufwändige Premium-Services mit personalisierten Inhalten anbieten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Markt reif ist", sagt Matthias Winter, stellvertretender Geschäftsführer von wissen.de. Die Internet-User sind seiner Meinung nach mittlerweile bereit, "für besondere Services und personalisierte Inhalte Geld zu bezahlen".
Gleiches glaubt man bei der Encyclopaedia Britannica - die kündigte nun die Wiedereinführung des Premium-Dienstes an. Künftig sind die Lexikon-Einträge nur noch beschränkt umsonst abrufbar.
Doch mit B-to-C-Handel allein sind die Online-Dienste nicht finanzierbar. B-to-B ist vielmehr angesagt: Xipolis versteht sich heute als Content-Syndicator und bietet die Lizensierung seines lexikalischen Inhalts durch andere Unternehmen an. Daneben gibt es den Mr.Check, ein Wörterbuch zu aktuellen Themen, das von mittlerweile mehr als 700 Websites eingesetzt wird. Und auch wissen.de setzt auf die Zweitverwertung des Inhalts, u.a. mit GMX.
Durch Crossmarketing-Aktivitäten lassen sich zudem Offline und Online verbinden. Die Verlage setzen auf "Bundling", um von der Stärke der Offline-Marken zu profitieren. Dem Brockhaus Multimedial liegt etwa ein befristetes xipolis-Punkteguthaben bei. Bei wissen.de sind ferner Eventmarketing-Aktivitäten geplant.
Bei alledem gilt: Das Internet ist nur ein Vertriebskanal im Lexikonverkauf. Der Einzelhandel, stimmen Rausch und Holoch überein, ist der wichtigste Verkaufsweg. Die Werbung allerdings, sagt Rausch, muss sich ändern. Der Buchverkauf an der Tür hat (immer noch) ein eher schlechtes Image - auch in der Werbebranche. Von "Drückerkolonnen" an der Tür sprach ein Jury-Mitglied, als vor vier Jahren eine Brockhaus-Anzeigenkampagne den Pegasus Award erhielt. Werbung für Lexika muss emotionaler werden, ist Rausch überzeugt, um die Interessenten auf das Produkt neugierig zu machen. Es gilt daher das Motto "Lexika machen Spaß" - und hoffentlich auch klüger. mac

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