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L & B-Insolvenz - ein Fanal für die Branche?
28.01.2002 - ONEtoONE-Blitzumfrage bei den Chefs deutscher Dialog-Agenturen
Die zuletzt 20 Mann starke Hamburger Agentur Lehr & Brose hat Mitte Januar Insolvenz anmelden müssen. "Die wirtschaftliche Großwetterlage mit massiven Einbrüchen besonders im letzten Quartal" habe zur Insolvenz geführt, so L & B-Chef Andreas Lehr. Die Ausfälle hätten auch durch Restrukturierungs- und Sparmaßnahmen nicht kompensiert werden können. Auch "Gespräche mit Networks und Investoren hatten kurzfristig zu keinem positiven Ergebnis geführt."
Die 1990 gegründete Agentur war ein fester Bestandteil der Dialog-Agentur-Szene Deutschlands. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet. L & B hat sich u.a. im Council Dialogmarketing-Agenturen im DDV und im DIMA-Planungsausschuss für die Branche engagiert und betreute zuletzt Kunden wie Yello Strom, Spiegel Verlag sowie Projekte für Hamburg Mannheimer und T-Mobile.
Die Agentur hatte für das Jahr 2000 noch 10,31 Millionen Mark Gross Income gemeldet und belegte damit Platz 21 des ONEtoONE-Agentur-Ranking. "Im Moment arbeiten wir weiter", sagt Andreas Lehr. Zu den Details kann er derzeit noch keine Aussagen treffen.
Ist diese Insolvenz ein Fanal für die Branche der Dialog-Agenturen? Muss also angesichts der Konjunkturlage mit weiteren Pleiten gerechnet werden? MSBK_Proximity-Chef Jens Konerding räumt ein: "Generell ist es für die Branche nicht gut, wenn ein etabliertes Label scheitert. Lehr & Brose war ein guter Wettbewerber und eine gute Agentur." Dennoch sei diese Insolvenz kein Signal für die Gesamtbranche, ist Konerding überzeugt.
Dieser Meinung ist auch DDV-Geschäftsführer Holger Albers: "Zunächst mal halte ich die Insolvenz von Lehr & Brose für einen herben Verlust für die DM-Branche in Deutschland. Trotzdem glaube ich nicht, dass sie Signalwirkung hat. Ich weiß aus meinen Gesprächen mit einigen Dialog-Agenturen, dass es diesen gar nicht so schlecht geht. Wenn man aber eine Reihe von Kunden hat, die ihre Budgets zusammenstreichen, hat man ein Problem. Deswegen muss man keine schlechte Arbeit geleistet haben."
Die zum Teil sehr schlechte Zahlungsmoral und das oft rigide Controlling - gerade seitens der Großkunden - kann laut Michael Horlacher, stellvertretender Vorsitzender des Council Dialogmarketing-Agenturen im DDV, mittelständische Agenturen in arge Bedrängnis bringen. Und die haben es ohnehin schwerer: "Für kleinere und mittlere Agenturen, die mangels Network-Anbindung kein finanzielles Rückgrat haben, werden die Zeiten härter", sagt Peter Wendt, CEO von Publicis Dialog.
Trotzdem sind Wendt wie Horlacher überzeugt, dass nicht mit einer Pleitewelle unter DM-Agenturen zu rechnen ist. Die L&B-Insolvenz sei ein "Einzelschicksal, das eigentlich dem Trend widerspricht. Ich höre in der Branche allgemein nur von vollen Auftragsbüchern", so energy-Chef Horlacher.
Dass volle Auftragsbücher nicht unbedingt immer auch eine volle Kasse bedeuten, gilt wohl für jede Branche - was aber gerade das Agenturgeschäft im Dialogmarketing kennzeichnet, sind die Projektaufträge. Und eben diese Abhängigkeit vom unsicheren Projektgeschäft ist laut straight-Chef Uwe Middeke sehr gefährlich. "Wer da nicht einen sehr guten Draht zum Kunden hat, ist schnell weg vom Fenster."
Middeke hält nicht nur eine gute Kundenstruktur für extrem überlebenswichtig, sondern moniert, übrigens ebenso wie Wendt, "dass in den wenigsten Agenturen wirklich professionelle Controller sitzen". Gefahrenpotenzial lauert auch bei hoher Mitarbeiterfluktuation: Wer gute Köpfe nicht langfristig binden kann, wird über kurz oder lang auch seine Kunden ziehen sehen, glaubt Ulrich Brüggemann von Brüggemann & Freunde. Abgesehen davon, dass eine permanente Einarbeitung neuer Mitarbeiter wenig effizient und zudem sehr teuer ist, quittieren auch die Kunden ständige Änderungen ihrer Ansprechpartner mit Unwillen - bis hin zum Agenturwechsel.
Brüggemann, der nach einer Krise sein Agenturgeschäft wieder konsolidiert hat, hält vor allem all jene für gefährdet, die ihre Kernkompetenzen vernachlässigen und "glauben, sie könnten eben mal ein bisschen Klassik nebenher machen".
Fazit: Controller, eine ausgewogene Kundenstruktur und gute Mitarbeiter - und wohl auch das Quäntchen Glück - sind nötig, um in diesen Zeiten bestehen zu können. Keiner der befragten Dialogmarketer blickt finster in die Werbezukunft, und obwohl alle die Insolvenz von L & B bedauern, glauben sie auch an das, was Brüggemann postuliert, nämlich: "Ich bin davon überzeugt, dass wir von Andreas Lehr wieder etwas hören werden!" ... Und von Stefan Brose und dem kompletten Team auch, so bleibt zu hoffen. vh
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