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Audiotex: Chance oder Gefahr für Call Center?

20.06.2000 - Mensch vor Maschine: Sprachcomputer können Call-Center-Agents nicht in allen Bereichen ersetzen

"Einsparpotenziale von teilweise über 90 Prozent" diagnostiziert die Hamburger Unternehmensberatung Mummert + Partner bei deutschen Call Centern. Der Trend: "Immer häufiger werden wenig komplexe Telefondienstleistungen wie Mietwagenbuchungen oder reine Auskunftsdienste von Sprachcomputern übernommen." Mummert + Partner räumt aber zugleich ein, dass Spracherkennungscomputer für beratungsintensive Leistungen nur sehr begrenzt einsetzbar seien. ONEtoONE hat bei Branchenexperten nachgefragt, was die zunehmende Nutzung von Audiotex-Diensten für die Call-Center-Branche bedeutet. Bedroht sie vor allem Arbeitsplätze oder bietet sie auch Chancen?

Bettina Höfner, Leiterin Neue Medien beim DDV in Wiesbaden, geht davon aus, dass die direkte Kommunikation generell quantitativ weiter zunehmen wird. Dies entspricht einem "Grundbedürfnis nach Kommunikation", so Höfner. Nur derjenige kann auf Dauer erfolgreich sein, der auf seine Kunden direkt zugeht, und somit sind Call Center auch weiterhin gefragt. Es gibt eine Akzentverschiebung hin zu höherwertigen Beratungsdienstleistungen. Entsprechend gut qualifizierte Mitarbeiter für Call Center werden also weiterhin gesucht - und somit werden auch Schulung und Weiterbildung immer wichtiger. Diese Grundeinschätzung wird im Prinzip von allen Befragten geteilt. Frank Hertrich, Geschäftsführer der Nürnberger TEL for YOU, stimmt Mummert + Partner zwar in der Frage zu, dass die Spracherkennung in den nächsten Jahren zunehmen wird, sieht aber gleichzeitig mit der Zunahme des E-Commerce neues Potenzial für die Branche: "Das Internet ist keine Bedrohung für Call Center, sondern es lässt den Bedarf an Beratung steigen", ist seine These. Mehr E-Commerce bedeute auch mehr unerfahrene User - und die könne man nicht mit einem Sprachcomputer abfertigen, denn sie benötigen die Unterstützung von Live-Agents. Die Automatisierung sei allerdings bei einfachen Bestellvorgängen und reinen Info-Hotlines sinnvoll. Ein großes Wachstumspotenzial sieht Hertrich auch bei Branchen und vor allem mittelständischen Unternehmen, die bisher noch kein Call Center einsetzen - das werde sich bald ändern, so Hertrich optimistisch.

Matthias Vogel, Pressesprecher von DIATEL DIREKT in Frankfurt, geht davon aus, dass das Call Center der Zukunft seine Funktion verändern muss. Als das interaktivste Medium im Direktmarketing müsse es zum "multifunktionalen Ausgangspunkt werden, um alle Dienstleistungen zu integrieren". Voraussetzung dafür ist eine technologische Erweiterung, die auch das E-Mail-Management integriert. Das Internet ist für ihn ein wichtiges Medium, allerdings gleichberechtigt neben Kommunikationswegen wie Telefon, Mailings, Fax. Dem heute typischen "hybriden Kunden", der sich je nach Situation für ein Medium entscheiden wolle, müssten alle Kommunikationswege geboten werden. Die Anforderungen an die Agents würden damit steigen, Computer könnten sie nicht ersetzen.

Entrüstet über "Leute, die überhaupt nichts vom Business verstehen und sich trotzdem dazu äußern", zeigt sich Holger Schimming, Vorstandsmitglied der d+s online, Hamburg. Von Arbeitsplatzabbau könne in der Call-Center-Branche keine Rede sein. Schimming erwartet für die nächsten vier Jahre ein Wachstum zwischen 19 und 24 Prozent für die Branche. Die Kommunikationsströme würden sich verlagern, tendenziell weg vom direkten Anruf, hin zur E-Mail. Dies stellt neue Anforderungen an die Agents, die nun nicht nur direkt antworten, sondern auch knapp und präzise schriftlich formulieren müssen. Außerdem sei verstärkt technisches Verständnis gefordert. Schimming sieht in der Automatisierungstendenz eher eine Hilfe für die Agents, die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern gehe unverändert weiter.

Jürgen Lankers, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Walter TeleMedien-Gruppe, hält bei einfachen Info- und Auskunftsdiensten den Einsatz von Sprachcomputern durchaus für sinnvoll, schon allein deshalb, weil die "Ressource Mensch begrenzt" sei. Allerdings liege ihre Akzeptanz beim Verbraucher bei etwa 20 Prozent, die Menschen hätten ein Bedürfnis nach persönlichem Dialog - "Beschwerdemanagement ist nicht automatisierbar".

Das Call Center der Zukunft unterscheidet sich laut Lankers wesentlich vom Call Center der 90er Jahre, das Dienstleistungsspektrum sei viel breiter geworden, Stichwort: E-Mail-Service. Der schnell wachsende Markt für Help-Desk-Funktionen bedeutet komplexere Informationen und eine entsprechende Schulung der Mitarbeiter. "Der Trend geht zum One-to-one-Marketing", so Lankers, die Aufbruchstimmung im CRM wirke einer Standardisierung geradezu entgegen. Dies führt zu wachsendem Ausbildungsbedarf, in einem Call Center arbeiten heute Berufsgruppen wie Rechtsanwälte oder Techniker, die man vor kurzem dort noch nicht angetroffen hat.

Die Entwicklung des einfachen Call Center auf der Basis von Telefonkommunikation hin zum Customer-Care- Center mit integrierten Kommunikationswegen hebt auch Karina Runde, Pressesprecherin der b u.w. in Osnabrück hervor. Unternehmen, die weiterhin nur aufs Telefon setzen, müssten wohl tatsächlich mit weniger Wachstum rechnen. Jeder Agent muss innerhalb des Projekts, an dem er mitarbeitet, alle Medien bedienen können, dies setzt eine entsprechende verstärkte Schulung voraus. Unter dieser Voraussetzung sieht sie ein ungebrochenes Wachstum für die Call- Center-Branche.

Thomas Hoffmann-Arends, Geschäftsführer von Legion in Düsseldorf, erwartet "eher das Gegenteil" dessen, was Mummert + Partner prognostiziert. Der Boom im Bereich der Mobil-Telefonie bedeute, dass das Telefon überall verfügbar sei. Es ist, so Hoffmann-Arends, "wesentlich praktischer als das Internet" - auf Call Center mit Telefonkontakt könne also nicht verzichtet werden. Bei der Kommunikation per Internet ergebe sich ein hoher Beratungsbedarf dadurch, dass viele User sich nicht zurecht fänden. Gefragt seien also nach wie vor sowohl angelernte wie hochspezialisierte Agents.

Als Fazit kann man festhalten: Die Mehrheit der Fachleute geht davon aus, dass die Anforderungen an die Call Center und ihre Agents in Zukunft wachsen werden. Call-Center-Betreiber müssen offen sein für alle Kommunikationswege und sowohl in die Technologie als auch in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter verstärkt investieren, wenn sie am Ball bleiben wollen - von nachlassender Nachfrage ist jedenfalls nichts zu spüren. gös

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