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Glosse

Aus dem Tagebuch eines Agenturchefs (4): Die Kununu-Bewertung

"Wir blättern im Tagebuch von Andreas Haupt, Gründer, CEO und Zulangeschon-Chef der Agentur HAUPTGEWINN, der nach eigenen Angaben coolsten Agentur südlich des Polarkreises. (Bild: Midjourney/Faltin)
"Wir blättern im Tagebuch von Andreas Haupt, Gründer, CEO und Zulangeschon-Chef der Agentur HAUPTGEWINN, der nach eigenen Angaben coolsten Agentur südlich des Polarkreises.

09.01.2024 - Jetzt reichts. Da schreib ich mir seitenweise gute Vorsätzen für das neue Jahr, will positiv in 2024 starten und jetzt ist schon wieder Schicht im Schacht. Kommt doch heute eine neue Kununu-Bewertung und versaut uns den Agentur-Schnitt.

von Christian Faltin


3. Januar 2024
Jetzt reichts. ENDGÜLTIG! Da schreib ich mir seitenweise Listen mit guten Vorsätzen für das neue Jahr, will positiv in 2024 starten und nach nur zwei Tagen ist schon wieder Schicht im Schacht. Kommt doch heute die Benachrichtigung: "HAUPTGEWINN hat eine neue Bewertung auf Kununu bekommen." 2,2 von fünf möglichen Sternen. DANKE. Und ich kann mir SEHR gut vorstellen von wem.

Im September mussten wir Laura kündigen. Da hatte sich schon abgezeichnet, dass unser Geschäft zum Jahresanfang deutlich schwächer anläuft. Keiner mag Kündigungen. Maria, meine Co-Geschäftsführerin nicht, ich schon gar nicht. Und für die Betroffenen ist es eh sch... Also entscheiden wir uns gemeinsam, einen harten Schlussstrich zu ziehen. Sagt doch auch jeder Ratgeber für Chefs: Lieber ein Ende mit Schrecken als ...

In Lauras Fall war der Schrecken groß. Und gleichbedeutend mit dem Ende. Nach nur fünf Minuten rauschte sie aus dem Konfi. Und ward bis zum Vertragsende (3 Monate und eine Woche später) nicht mehr gesehen. Erstaunlich, wie viele Ärzte es heute gibt, die Mitarbeitende über Monate krankschreiben.

Und mir war klar. Laura würde das Ganze nicht auf sich beruhen lassen. Schließlich gibt es einen Weg uns öffentlich zu schaden: Kununu. Die einfachen Geister watschen ihre Ex-Firmen und -Chefs dort emotional und direkt ab: "Fehlt die Eignung zu Führungskraft", "beurteilt Mitarbeitende nur nach persönlicher Sympathie", "da fehlt jede Wertschätzung und Empathie", "unflexibel, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt" und so weiter und so weiter. Aber Laura war kein einfacher Geist. Ihre Strategie war deutlich perfider: Die Positiv-Vernichtung.

Also beispielsweise: "Ich rechne es meinen Ex-Chefs sehr hoch an, dass sie ein Führungskräfte-Coaching absolviert haben. Leider hatte der Coach keinen durchschlagenden Erfolg." Oder: "HAUPTGEWINN arbeitet mit wirklich fortschrittlichem Equipment, das - passend zum Agenturnamen - kostengünstig auf einer Versteigerung erworben wurde." Alternativ: "Für die vielen positiven Vibes bei HAUPTGEWINN war meistens Agenturhund Charlie verantwortlich."

In Summe waren das 2,2 von fünf Sternen. Das prügelt unseren Kununu-Schnitt für HAUPTGEWINN runter auf eine 3,6. Damit sind wir schlechter als der Durchschnitt aller Agenturen   (3,8). Das ist echt lästig. Denn in der nächsten Bewerbungsrunde sind wir die erste halbe Stunde wieder damit beschäftigt, den Eindruck, den wir auf Kununu hinterlassen, zu korrigieren. Vorausgesetzt, es bewirbt sich überhaupt noch jemand.


4. Januar 2024
Ich habe nochmal ne Nacht drüber geschlafen. Ich hole zum Gegenschlag aus: Ich gründe eine Plattform (Arbeitstitel: Dududu), auf der Arbeitgebende ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewerten können. Natürlich völlig anonym - so wie bei Kununu (Haha). Da lassen wir uns dann so zeugnisähnliche Bewertungen mit musikalischem Einschlag einfallen, die sehr neutral klingen, aber wo jede Firma weiß, wo der Hase lang hoppelt.

Also bei einem Kollegen, der jeden Tag überpünktlich die Tastatur zur Seite schiebt und nie bereit ist, auch nur ein bisschen mehr Zeit ins Projekt zu investieren, stünde dann: "Der Mitarbeiter verfügt über eine ausgeprägte Arbeitsauffassung, die sie stark an dem erfolgreichen Country-Pop-Song von Dolly Parton   ("9 to 5") orientiert." Und die Teamleiterin, die grundsätzlich alle Erfolge der KollegInnen auf ihr Konto verbuchte, bekäme den Eintrag: "Die Mitarbeiterin überzeugte durch eine herausragende Erfolgsbilanz, bei der sie die Falco-Methode   ("Egoist") stringent umsetzte." Oder bei der Juniorin, die Super-Arbeit leistet, sich aber immer etwas unter Wert verkauft: "Die Mitarbeiterin wird empfohlen, öfter eine Fortbildung bei Mark Forster   ("Der beste Mensch bist Du") zu besuchen."


5.Januar 2024
Maria schmeckt das nicht. Sie hat keine Lust auf Dududu, die Investitionen in die Technik und die hohen Kosten für die juristische Beratung bei dem neuen Portal: "Andreas, du bist viel zum emotional. Hab Dich nicht so, sei keine Mimimi. Wir sind die Chefs, da müssen wir Kritik abkönnen. Was glaubst Du, was ich mir schon anhören musste? Und wer glaubt schon Kununu? Das ist doch wie bei allen anderen Plattformen auch: Da schreiben die Unzufriedenen, die Frustrierten. Oder, im umgekehrten Fall, irgendwelche Bots und Fake Accounts, die sensationelle Bewertungen verteilen. Da kommen dann Musteragenturen raus, mit 4,5 von fünf Sternen, die eine ganz miese Unternehmenskultur und eine Mega-Fluktuationsrate haben."

Da hat sie zwar Recht, aber das löst unser Problem nicht. Soll ich etwa mit meinem LinkedIn-Kontakt in Bangladesh chatten und ein paar positive Bewertungen bestellen?


8.Januar 2024
So, das Wochenende drüber gegrübelt und eine konstruktive Lösung gesucht. Wir könnten unser Team doch mal im All-Agency-Meeting proaktiv mit den letzten schlechten Bewertungen konfrontieren und sie bitten, eine realistischere (natürlich bessere) Bewertung zu hinterlassen. Schließlich wollen sie doch auch, dass wir neue MitarbeiterInnen finden, damit sie künftig in ihrem Job entlastet werden. Maria hat nur süffisant gelächelt und gesagt: "Träum weiter."


9. Januar 2024
Ok, Strategiewechsel. Wir klagen. Dietmar, ein befreundeter Agenturchef, hat mir eine spezialisierte Kanzlei empfohlen. Für einen guten Hunni tilgen die fiese Bewertungen auf Kununu. Man muss nur Behauptungen in der Bewertung finden, die sich faktisch widerlegen lassen. Dann wird das Ganze an die Bewertenden zurückgespielt. Und wenn die ihre Behauptung nicht belegen können, ist die Bewertung raus.

Das löse das grundsätzliche Problem nicht, meint Maria. Nein, das tut es nicht. Aber wenn es funktioniert, fühlt es sich trotzdem irgendwie gut an.


16. Januar 2024
Die Bewertung wurde nach nur einer Woche gelöscht. Wir stehen wieder bei 3,8. In unserem nächsten Agency-Meeting werde ich dem Team einen Vorschlag machen: Jeder zufriedene Mitarbeitende, der eine halbwegs realistische (also positive Bewertung) für HAUPTGEWINN auf Kununu hinterlässt, bekommt wahlweise 500 Euro Treueprämie oder Zwei-Tage-Sonderurlaub. Mal schauen, wie schnell wir bei einer 4,4 sind. Und die Idee für Dududu verkauf ich an Elon Musk . Der hat die richtige Einstellung und das nötige Kleingeld, um so was im Markt durchzusetzen.



Zum Autor:
Christian Faltin und Andreas Haupt kennen sich schon lange. Beide schreiben regelmäßig Tagebuch - schonungslos fiktiv, gnadenlos persönlich und nichts für schwache Nerven. Mit der Realität hat das natürlich gar nichts zu tun, deswegen ist auch keine künstliche Intelligenz im Spiel. Bis auf eine kleine Ausnahme. Mehr über den einen Autor unter Christianfaltin.de   . Er hat auch ein ganz tolles Linkedin-Profil.

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