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Glosse

Aus dem Tagebuch eines Agenturchefs (5): Die Back-to-Office-Kampagne

Wir blättern im Tagebuch von Andreas Haupt, Gründer, CEO und Zulangeschon-Chef der Agentur HAUPTGEWINN, der nach eigenen Angaben coolsten Agentur südlich des Polarkreises, dessen Kampagne gerade ausserordentlich erfolgreich ist. Sort of. Nun, zumindest der Kunde ist zufrieden.. . (Bild: Midjourney/jg)
Wir blättern im Tagebuch von Andreas Haupt, Gründer, CEO und Zulangeschon-Chef der Agentur HAUPTGEWINN, der nach eigenen Angaben coolsten Agentur südlich des Polarkreises, dessen Kampagne gerade ausserordentlich erfolgreich ist. Sort of. Nun, zumindest der Kunde ist zufrieden.. .

01.02.2024 - Wir haben einen neuen Kunden. Das ist eigentlich gut, aber...

von Christian Faltin



3. Januar
Wir haben einen neuen Kunden. Das ist eigentlich gut, aber ...

Karl ist ein typischer Mittelstands-Hero. Wir beide kennen uns schon ewig, sind zusammen zur Schule gegangen. Jetzt beschäftigt er als Geschäftsführer eines Produktionsunternehmens gut 300 Menschen in der Gewerbegebiets-Provinz. Und er hat ein Problem. Gut zwei Drittel seiner Mitarbeitenden bei FEWWA Productions arbeiten in der Produktion vor Ort. Und etwa ein Drittel arbeitet häufig ohne physische Anwesenheit in der Firma. In der Verwaltung, in der Buchhaltung, im Vertrieb und im Marketing.

Die Produktioner nennen die Home Officler "HOler", manchmal auch "HNuller", im Sinne von Schmalspurarbeiter. Und die HOler lästern über die "Fabricios" aus der Produktion, die "nur was Gscheites hätten lernen" müssen. Mit der Zeit ist der Neid (die einen dürfen ins Home Office, die anderen nicht) ein unangenehmer Faktor im Binnenklima der Firma geworden. Außerdem hat der FEWWA-Umsatz gelitten. Jetzt will Karl seine Belegschaft komplett ins Büro zurückholen. Er schreibt: "Ich brauche für unsere interne Kommunikation eine coole Back to Office-Kampagne. Und zwar so eine, dass ich nicht dastehe wie ein reaktionärer Chef-Depp, der nicht verstanden hat, dass hybrides Arbeiten irgendwie zu einem modernen Arbeitsleben gehört. Nur halt weniger bei uns. Bitte macht Euch ASAP Gedanken. Budget haben wir".

Die Aufgabe ist eine echte Herausforderung für uns als hybrid arbeitende Agentur, aber sein letzter Satz hat mich überzeugt.


4. Januar
Ich informiere unser Team. Die Pause nach meinem Teams-Kurzbriefing dauerte lange, sehr lange. Viktor, unser Volo, ist der erste, der Einspruch erhebt: "Das ist doch komplett gegen unsere Überzeugung. Wie soll ich da kreativ sein?"

Ich erkläre ihm, dass es unser Job als Dienstleister ist, sich in die Lage unseres Kunden zu versetzen. Charlotte, unsere Client-/Account-Managerin, springt Viktor aber zur Seite: "Wenn rauskommt, dass die Kampagne von uns ist, dann können wir sämtliche Recruiting-Anstrengungen die nächsten Monate vergessen. Wir positionieren uns als moderne Agentur, die hybrid arbeitet und entwickeln dann eine derart unzeitgemäße Kampagne." Maria, meine Co-Geschäftsführerin, hat ihr glücklicherweise gleich geantwortet, dass angesichts der aktuellen Auftragslage Recruiting eher weniger unser Problem ist.

Ich hab die Schärfe im Meeting dann rausgenommen und eine ausgewogen zusammengesetzte Back-to-Office/BTO-Taskforce für den Etat gebildet und das Thema vertagt. Wir sammeln alle Pro-Argumente für Arbeiten in der Firma und die Pro-Argumente für das Home Office, hirnen am Wochenende mal vor uns hin und entwickeln dann gemeinsam erste Ideen am Montag.


8. Januar
Das erste Treffen der BTO-Taskforce. Wir treffen uns im Konfi von HAUPTGEWINN. Begeisterung sieht anders aus. Immerhin haben wir einige Pro-Argumente für beide Seiten am Start.

Viktor hat einen Vorschlag: "Ein Argument, gerade unserer Generation ist doch immer: Zuhause kann ich parallel die Waschmaschine laufen lassen. Was haltet ihr davon, wenn wir bei FEWWA in der Kaffeeküche eine Waschmaschine aufstellen. Slogan: 'Hier könnt ihr jetzt auch offiziell zusammen schmutzige Wäsche zu waschen.'" Ich fands witzig, der Rest des Teams eher bemüht.

Charlottes Vorschlag ging in eine ähnliche Richtung: "Wir wissen doch, dass Menschen ausgeglichener und zufriedener sind, wenn sie von Haustieren umgeben sind. Der Bürohund als Agenturklassiker ist dafür doch das beste Beispiel. Was, wenn wir aus der FEWWA-Kantine eine Katzenkantine machen? Alle Mitarbeitenden können ihre Katzen mit in die Firma nehmen und in den Großstädten sind Katzencafés gerade mega in. Das müsste doch total gut laufen."

Ausnahmsweise nörgelte diesmal Maria ein bisschen: "Ich bin allergisch gegen Katzen. Und was sollen die Mitarbeitenden machen, die Hunde haben? Außerdem fände ich eine Firmen-Kita wesentlich hilfreicher. Das würde gerade die arbeitenden Frauen extrem entlasten. Das wäre ein echter Mehrwert für den ich persönlich gerne in die Firma fahren würde."

Nachwuchs ist ein prima Stichwort, meinte Elena, unsere Etatdirektorin: "Es menschelt doch in Firmen. In den meisten Fällen sogar intensiver, wie man auf Firmenfeiern, Workshops und Weihnachtsfeiern so mitbekommt. Und gut ein Viertel aller Menschen in Deutschland hat seinen Partner oder Partnerin im Job kennengelernt. Das SZ-Magazin hat im August vergangenen Jahres getitelt: 'Der Arbeitsplatz ist ein automatischer Beziehungsgenerator" Können wir daraus nicht was machen? Vielleicht mit dem Slogan: 'Erster Arbeitstag, erstes Date.'

Ich bin persönlich bin ja immer gerne in die Agentur gefahren, um meiner Frau tagsüber aus dem Weg zu gehen. Also quasi "Work-Wife-Balance". Aber das habe ich dann doch nicht in die Diskussion eingebracht. Wir vertagen uns um eine Woche, um die Vorschläge für Karl etwas besser auszuarbeiten.


15. Januar
Ich habe mich mittlerweile intensiv in die Diskussion zum Thema "Back to Office" auf LinkedIn und in Wirtschaftsmedien eingelesen. Ein Executive Search Consultant schreibt: "Der Back to Office-Trend ist daher nicht nur eine Rückkehr zu alten Gewohnheiten, sondern eine Gelegenheit, die berufliche Entwicklung junger Mitarbeitende zu fördern und gleichzeitig ein starkes, unterstützendes soziales Netzwerk aufzubauen. Lasst uns diese Rückkehr ins Büro als eine Chance begreifen, junge Talente zu fördern und zu unterstützen, indem wir ihnen die Werkzeuge und das Umfeld bieten, das sie für ihren beruflichen und persönlichen Erfolg benötigen."

Wäre zu schön, wenn das mit so einer rationalen Argumentation gelingen könnte. Ich habe unserer BTO-Taskforce als Letztes meinen Vorschlag vorgestellt: "Vier gewinnt". Wir lösen das Problem modern, mit Gamification. Ich wette, dass etliche im Home Office sowieso in der Arbeitszeit auf ihrem PC rumdaddeln. Also setzen wir ein firmeninternes "Vier gewinnt"-Onlinespiel auf, bei dem alle Mitarbeitenden gegeneinander spielen können. Den fünf Besten gewährt FEWWA eine Viertage-Woche als Ausgleich zur Office-Präsenz. Total unfair, meint das BTO-Team. Da ginge es wieder nur um Leistung.

Leider haben wir uns intern dann nicht auf eine Idee einigen können. Demokratisch wie wir sind, werden wir FEWWA alle Ideen vorstellen. Ich schick die Präsi gleich an Karl.


17. Januar
Karl antwortet prompt: "Wow, Andreas. Danke für Eure Vorschläge. Da wart ihr echt kreativ. Ich sprech das Ganze mit HR und unserem Betriebsrat durch und dann schauen wir, was wir umsetzen... Haha, kleiner Scherz. Nein, wir wollen ja vorwärtskommen. Ich kommuniziere alle eure Vorschläge (mit Ausnahme der Kita) mal an die Belegschaft und warte auf die Resonanz."

Der erste Kunde, der fast alle unsere Vorschläge umsetzt, ich bin geplättet.



29. Januar
Mist, unsere Kampagne zündet nicht. Ganz im Gegenteil. Die HR-Frau von FEWWA schreibt mir, dass bis zur Monatsmitte schon 15 Mitarbeitende aufgrund der angekündigten Aktionen gekündigt haben. Ich notiere mir alle Pro-Argumente für unsere Kampagne nochmal schriftlich. Dann rufe ich Karl an, um vorzufühlen, wie seine Stimmung ist. Er ist gerade im Meeting, sagt zumindest seine Assistentin. Boah, kein gutes Zeichen. Ich setze mich an eine lange Mail, um seinem größten Frust schon mal irgendwie argumentativ entgegenzuwirken.

Bis EOB kommt keine Antwort.


30. Januar
Der morgendliche Blick in Outlook haut mich fast vom Designerstuhl. Karl schreibt: "Andreas, ich habe nicht erwartet, dass eine interne Kommunikationskampagne ernsthaft etwas an unserem Problem ändern kann. Aber eure Vorschläge haben trotzdem gewirkt: 10 Prozent unser HOler haben bis Ende Januar gekündigt, weil sie nicht wieder täglich ins Büro kommen wollen. Das spart mir einen Haufen Geld für Abfindungen, weil ich aufgrund der mauen Auftragslage eh Personal in der Verwaltung hätte abbauen müssen. Und die Leute aus der Produktion sind befriedet, weil wir etwas gegen die Ungleichheit getan haben. Also, alles gut. Ich werde Euch weiterempfehlen. Danke Dir!"

Ganz schön abgezockt diese Mittelständler aus der Provinz. Muss mal überlegen, wie ich diesen "Kampagnenerfolg" in unser Team kommuniziere.

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