Kundenservice 2025

Ranking Multichannel-Contactcenter 2025: Diese KI kommt nicht von hier

22.01.2025 - Weniger Telefon, mehr Messenger, aber Chatbots machen andere: Der Anteil der Seats sinkt, die in deutschen Multichannel-Contactcentern klassischen Kanälen vorbehalten sind.

von Joachim Graf

Immer komplexere Produkte steigern den Bedarf an exzellentem Kundenservice. Dieser finde allerdings zunehmend weniger durch klassische persönliche Kundenberatung sondern durch KI statt. Das hatte die Global Service Studie   von PwC prognostiziert. Stattdessen rückten zunehmend kanalübergreifend arbeitende Multichannel-Contactcenter in den Fokus.

Der Schlüssel zum Wettbewerbsvorteil liegt dabei in der intelligenten Verknüpfung von Künstlicher Intelligenz und menschlichem Potenzial. So müssen Kundenservice-Dienstleister Technologie und Personalentwicklung entsprechend planen. Durch die Integration von Generativer KI im Service lässt sich die Kommunikation und Interaktion mit dem Kunden vorantreiben. Dies sorgt nicht nur für die Verbesserung der Kundenerfahrung durch stärkere Personalisierung und Individualisierung, sondern auch für die Optimierung des Angebotsportfolios mit wirksameren Leistungen und Lösungen. Das war das Fazit einer Umfrage vom Institut für Kommunikation und Servicedesign   unter kleinen, mittleren und großen Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt.

2024 war das Jahr der Konsolidierungen

Contactcenter sind die Dienstleister der Wahl, wenn es um Kundenservice für Website, Crosschannel-Angebot, Marktplatz oder Onlineshop geht. Vor allem, wenn sie kanalübergreifend ihre Dienstleistung anbieten, wie das Multichannel-Contactcenter tun. Unser aktuelles Ranking in Zusammenarbeit mit dem Kundenservice-Beratungsunternehmen Schacht Consulting     listet die größten Anbieter in Deutschland für E-Mail und Social Media, für Briefpost, Telefon und Chat nach Anzahl der jeweils vorhandenen Seats.

Die beschleunigte digitale Transformation hatte im Jahr 2023 viele Anbieter zu Fusionen und Übernahmen bewogen, um technologische Fähigkeiten und digitale Ressourcen auszubauen und global zu expandieren. Weltweit kam es in den letzten fünf Jahren zu 175 solcher Übernahmen. In Deutschland hatte der Medienkonzern Bertelsmann   seine Callcenter-Tochter Majorel   (selbst entstanden aus der Fusion von Arvato CRM mit dem marokkanischen Partner Saham) verkauft an den Marktführer Teleperformance   aus Frankreich. Die Dessauer Sitel-Gruppe benannte sich nach ihrer Übernahme von US-Anbieter Sykes Enterprises in Foundever   um. Und die US-amerikanische Concentrix Corporation   heiratete Webhelp   , die zuvor unter anderem Sellbytel übernommen hatte.

Die daraus resultierenden Konsolidierungen mit den folgenden Personaleinsparungen machen sich auch in diesem Jahr in unserem Ranking bemerkbar. So konnten oder wollten unter anderem die Dickschiffe Teleperformance/Majorel (Vorjahr: 10.000 Seats) und Concentrix+Webhelp (Vorjahr: 7500 Seats) keine Aussagen zu ihrem aktuellen Personalbestand und dem Zahl der Seats machen.

Bei den Multichannel-Contactcenter, für die die Redaktion aktuelle Meldungen zur Zahl der Seats sowohl aus 2024 als auch aus 2023 vorliegen hat, zeigt sich ein uneinheitliches Bild: Zwei Fünftel meldet Nullwachstum, fast ebenso viele ein Wachstum bei den Seats. Ein Fünftel hat Personal und Seats abgebaut. Insgesamt summiert sich die Konsolidierung im Markt auf einen Rückgang von knapp 12 Prozent bei der Zahl der in Deutschland bereitgestellten Seats.

Stroer X   , Foundever   und Regiocom   sind im Jahr 2025 nach Seats die größten Multichannel-Contactcenter in Deutschland. Unsere Erhebung haben wir wir im November und Dezember 2024 unter den in Deutschland aktiven Anbietern durchgeführt:


Bei der Zahl der Seats führt StröerX bei den Kommunikationskanälen Telefon, Messenger, E-Mail und Social Media. Bei Post/Brief hat GUT contact   die Nase vorne. Chat dominiert wie im Vorjahr Capita Europe   .

Die Kundenkommunikations-Schuster und -Schusterinnen bleiben bei ihren Leisten: Während immer mehr Kundenserviceverantwortliche von Chatbots schwärmen bieten die Top30-Dienstleistungsunternehmen nur in Ausnahmefällen selber die Realisierung von KI-Chatbots an. Zwar hat sich die Zahl der realisierten Projekte insgesamt gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Allerdings ist deren Zahl eher bescheiden - angesichts der Milliarden von durchgeführten Kontakte durch die Dienstleistungsunternehmen und der hohen Nachfrage im Markt. KI-Systeme werden wohl eher von Agenturen oder inhouse umgesetzt.

Ob sich die Multichannel-Contactcenter mit der Zurückhaltung langfristig einen Gefallen tun, darf bezweifelt werden. Denn das Thema KI-Chatbots wird die Diskussion der Branche in den kommenden Jahre entscheidend beeinflussen, egal ob es den Verantwortlichen in den Dienstleistungsunternehmen gefällt. Heißt es doch in der Welt der digitalen Welt schon immer: "Kannibalisiere Dich selbst, bevor es jemand anderes tut".

Verschiebung bei den digitalen Kanälen

Verfolgt man die Entwicklung der angebotenen Kommunikationskanäle der in unseren Rankings gelisteten Multichannel-Contactcenter, so fällt auf, dass es eine kontinuierliche Entwicklung weg vom Telefon gibt. Gestiegen ist der Anteil der Seats, die der EMail-Kommunikation vorbehalten sind, während Briefkommunikation nur noch ein Nischenangebot ist - mit langfristig weiter fallendem Anteil.



Nach wie vor den Löwenanteil der Seats melden die Multichannel-Contactcenter für den Kanal Telefon. Allerdings nimmt der Anteil von Jahr zu Jahr ab. Lag er im Jahr 2020 noch bei 65 Prozent der Seats, so rechnen wir inzwischen mit einem um zehn Prozentpunkte reduzierten Anteil. Die digitalen Kanäle Messenger, Social Media und Chat haben innerhalb der Multichannel-Contactcenter inzwischen denselben Anteil von Seats wie E-Mail - 21 Prozent - wobei Chat anteilsmäßig vergleichsweise konstant bleibt. Hier scheinen (wie schon im Vorjahr) KI-gestützte Lösungen das wachsende Kommunikationsbedürfnis der Kundschaft zumindest zum Teil auffangen zu können.

Studie belegt die hohe Fragmentierung des deutschsprachigen Markts

Unser diesjähriges Ranking der größten deutschsprachigen Multichannel-Contactcenter weist für die 30 gelisteten Dienstleister insgesamt knapp 36.000 Seats aus.

Eine der Redaktion exklusiv vorliegende aktuelle Studie von Schacht Consulting kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass der deutsche Customer-Service-Markt deutlich größer ist und rund 700.000 Mitarbeitende bei Dienstleistern und in Inhouse-Einheiten beschäftigt. Er ist auch größer als der rein statistisch erfasste Dienstleistermarkt in Deutschland, den das Statistische Bundesamt   mit 1.296 Unternehmen und 138.346 Mitarbeitenden beziffert.

Schacht Consulting geht beim Kundenservice deutschlandweit von einem Outsourcing-Anteil aus, der zwischen 16 und 20 Prozent in Deutschland liegt. Das bedeutet, wenn man die Daten von Destatis zugrunde liegt, dass mindestens 691.000 Menschen in Deutschland in Kundenservice-Einheiten arbeiten - vom ECommerce-Unternehmen bis zum Pharmakonzern. Legt man andere Berechnungen zugrunde - beispielsweise den Vergleich mit anderen europäischen Märkten oder Expertenbefragungen, liegt laut der Studie die Bandbreite von Kundenservice-Mitarbeitenden in Deutschland eher noch darüber und kommt bis auf eine Maximalanzahl von 922.000 Menschen.

Allein für die Branche Handel und Onlineshops kalkuliert Schacht Consulting mit 100.500 Menschen, die im Kundenservice arbeiten. Das ist bei elf untersuchten Branchen die größte Einzelbranche, noch vor Reise und Tourismus mit 92.400 Mitarbeitenden und Versicherungen (80.300).

Hintergrund der Diskrepanz: Zum einen werden die Mitarbeitenden Kundendienst bei Unternehmen nicht mitgezählt. Auch die Bezeichnungen der Beschäftigten sind mannigfaltig: Kundenberater, Mitarbeiter im Kundenservice, Helpdesk-Techniker, Ingenieur für technische Unterstützung, Koordinator für die Kundenbindung, Spezialist für die Unterstützung im Bereich E-Commerce, Multilinguale Kundendienstmitarbeiter, Analyst für Customer Insights, Customer Experience Agent, Contact Center Mitarbeiter, Client Relations Manager, und so weiter. Die Vielfalt des Kundenmanagements führe laut Schacht Consulting dazu, dass man den Blick für die Kernfunktionen verliert und somit diese Beschäftigten einer anderen Funktion zuordnet - und nicht im Kundenservice mitzählt.

Weitere Erkenntnisse der Studie:
  • Die Forderung nach Flexibilität und Resilienz in der Folge der Pandemie führte in den vergangenen Jahren zu einer massiven Verlagerung zu fortschrittlichen Technologien und Veränderungen bei den Mitarbeitenden. Allerdings ist im letzten Jahr eine Trendumkehr beim Homeoffice deutlich zu erkennen. Mitarbeitende sind wieder mehr im Office gefragt als noch im vergangenen Jahr.
  • Die Forderung nach Flexibilität und Resilienz in der Folge der Pandemie führte in den vergangenen Jahren zu einer massiven Verlagerung zu fortschrittlichen Technologien und Veränderungen bei den Mitarbeitenden. Wirtschaftliche Faktoren, wie die Erreichbarkeit der Auftraggeber im Krisenfall spielen ebenfalls eine Rolle bei der zukünftigen Gestaltung der Customer-Service-Angebote.
  • Die Konsolidierung vor allem in Richtung großer, global auftretender Anbieter nimmt zu. Zugleich wüchsen kleinere Customer-Service- Anbieter stark aus sich selbst heraus insbesondere durch eine einfachere Verfügbarkeit von Technologien. Selbst durch KI-Anwendungen rechnen sich Automatisierungsmöglichkeiten nun auch schon schneller für kleine (Daten-)Mengen.
  • Das Multichannel-Contactcenter als eine wichtige hochfrequentierte Schnittstelle zu den zahlenden Kunden wird ein immer wichtiger werdender Bestandteil der Kundenkommunikationsstrategien und der Kundenbindung von Unternehmen. Sie werden Teil der ganzheitlichen Unternehmensstrategie, in der der Kunde im Mittelpunkt des Handelns steht und können selbst betrieben oder an Multichannel-Contactcenter Dienstleister ausgelagert werden.
  • Die Nachfrage nach Customer-Service-Dienstleistungen steigt, obwohl interne Callcenter immer noch deutlich dominieren, allein schon deswegen, weil es Unternehmen immer schwieriger fällt kostengünstige und dennoch hochqualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen. Oftmals lohnt es auch nicht für ein klassisches Peakgeschäft Festangestellte an Board zu nehmen, wenn ein Dienstleister diese Schwankungsbreiten abdecken kann.
  • In der Branche werden zunehmend immer mehr Technologien eingesetzt, um die Effizienz und die Servicequalität zu verbessern. Somit werde es in Zukunft noch einfacher, Dienstleistungen in Near- und Offshore-Einheiten abbilden zu können, wie zum Beispiel Realtime Translator.
  • Der Wunsch einfachste Tätigkeiten vollautomatisch, also ohne das Zutun eines Menschen zu erfüllen, steht immer noch auf der Liste vielen Unternehmen ganz oben. Dennoch sehen die Berater ein weiteres Wachstum durch die zunehmende Komplexität von Produkten und Services kritisch. KI-Technologie könne derzeit meisten nur einfache Prozesse lösen oder unterstützen, sobald es aber schwieriger und kundenspezifisch wird, wollen Kunden immer noch lieber im Dialog mit einem Menschen das Problem behoben wissen.


Das Ranking und die aktuellen Daten basieren auf einer Umfrage der Redaktion und den daraus resultierenden Selbstauskünften der Unternehmen sowie aus Hochrechnungen der Redaktion in Zusammenarbeit mit Schacht Consulting. Stand der Seats: 1.10.2024.

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    Verleihung des Awards "Katalog des Jahres 2025"

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    Laudatoren u.a.:

    • Nicole Brösel, Leiterin Print Marketing & Controlling, ORION Versand GmbH & Co. KG
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