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Erfolgshonorierung - eine Frage der Ethik und Praktikabilität

29.12.2003 - Risiko tragen und vom Erfolg partizipieren: Ein zeitgemäßes Honorarmodell für Agenturen?

"Die Agentur der Zukunft leistet auch erfolgshonorierte Arbeit. Und positioniert sich als Outsourcing-Partner für erfolgsabhängig vergütetes Produktmanagement." Das ist die Vision von Heinz Raszkowski, Vorstand der auf Pharma-Marketing spezialisierten Agentur Raszkowski in Aachen. Die Einschätzung, die in anderen Ländern schon länger vorherrscht, birgt einiges an Sprengstoff. Denn erfolgshonorierte Werbekonzepte betrachtet die Branche hier zu Lande eher skeptisch. Nicht nur, weil die Agentur-Ethik ins Wanken geraten könnte. Denn bislang verpflichten sich die Mitglieder des Agentur-Council im Deutschen Direktmarketing Verband (DDV) lediglich dem Ehrenkodex, nicht an kostenlosen Pitches teilzunehmen. Die Honorierungsmodelle werfen zudem die Frage auf, ob und wie Agenturen davon profitieren.

"Generell ist einer erfolgsabhängigen Honorierung nichts entgegenzusetzen. Allerdings sollte die Agentur auf ein Basishonorar bedacht sein", sagt Jens Grunewald, Vorsitzender des Council Agenturen im DDV. "Kritisch wird es, wenn sich die Agenturleistungen am Rande der kostenlosen Arbeit bewegen." Daher widmet sich das Council zurzeit diesem "pikanten Thema". Es will im ersten Quartal 2004 klären, in welchem Fall der Ehrenkodex als verletzt betrachtet werden muss. "Einen wichtigen Aspekt stellt dabei auch der internationale Vergleich dar", erklärt Grunewald. "In England etwa sind kostenlose Pitches gang und gäbe." Das heiße aber nicht, dass der DDV hier zu Lande englische Pitch-Verhältnisse sehen möchte. Auf der Agenda steht vielmehr Überzeugungsarbeit bei den Unternehmen, damit Agenturleistungen angemessen vergütet werden. Der Verband versucht daher, Wettbewerbsregeln zu schützen und dem Verfall der Honorare entgegenzuwirken.

Angefacht wird die Debatte durch das ausschließlich erfolgshonorierte Modell "Projekt Eins" der Agentur Raszkowski. Dahinter verbergen sich Mailing-Kampagnen, bei denen die Aachener abgesehen vom Muster oder Abgabeartikel für die Aktionskosten aufkommen - also für Druck, Lettershop und Porto. Die Agentur erhält als Honorar eine Pauschale pro Reagierer. "Der Werbungtreibende zahlt, wenn die Botschaft zur Zielgruppe gelangt", sagt Raszkowski. "Das ist Direktmarketing unter dem Stichwort Effizienz."

Allerding sei dies kein Konzept für kleine Budgets. Der Agenturvorstand, der sein Angebot nicht in der Nähe kostenloser Pitches sehen will, behält sich vor, Aufträge abzulehnen: "Die Vorleistung besteht darin, mit dem Kunden auf Augenhöhe zu verhandeln und zu bewerten, ob das Produkt eine Chance hat. Einen Relaunch machen wir zum Beispiel nicht." Der Grund ist klar: Das unternehmerische Risiko trägt die Agentur. Dies ermögliche die 14-jährige Agenturerfahrung. Raszkowski: "Wir können Chancen und Risiken realistisch einschätzen."

"Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Agentur das Risiko trägt. Die Frage muss vielmehr lauten, ob dies praktikabel ist", sagt Carsten Kurreik, Director Direct Marketing bei AOL Deutschland. "Kunden würden wohl kaum Probleme damit haben, wenn sich die Agentur nur am Erfolg messen ließe." Trotzdem: Sein Unternehmen vereinbart mit den Agenturen bei Tests eine Pauschale.

"Im Sinne des Fair Play steht der Agentur eine Aufwandsentschädigung zu", meint auch Martin Zornow, DM-Manager des Quickborner Energieversorgers E.ON Hanse. Bei einer reinen Erfolgshonorierung seien die Lasten von Agentur und Werbungtreibenden ungleich verteilt - davon ist Lars Smidt überzeugt, Leiter Direktmarketing bei der Financial Times Deutschland. Smidt: "Es kann nicht sein, dass die Agentur den Werbeerfolg allein verantwortet. Im Zweifelsfalle könnte die Qualität leiden." Daher setzt Smidt auf "Nachhaltigkeit im Sinne des Kunden". Er erachtet eine Mischform bei der Übernahme des Risikos als sinnvoll. Dies gereiche beiden Parteien zum Vorteil: "Ich habe nichts dagegen, wenn die Agentur im positiven wie im negativen Sinn partizipiert", so Smidt.

Auch Ulrich Brüggemann, CEO der Agentur B & F Brüggemann und Freunde in Borken, der frühzeitig ein erfolgsabhängiges Modell einführte, lehnt eine Vergütung ausschließlich auf Response-Basis ab: "Das Risiko müssen die Unternehmen mittragen. Denn es hängt vom Honorar ab, ob die Aktion läuft." Auch Brüggemann stellt sich "geteilte Risikomodelle" vor: "Der Kunde zahlt ein Fixum." Außerdem müssten die Eckparameter stimmen: "Bei exorbitanten Anforderungen ist auch eine exorbitante Vergütung angebracht", so Brüggemann. Bei seinem "unmoralischem Angebot", bei dem der Kunde nur zahlt, wenn B & F günstiger als die bisherige Agentur abschneidet, hat Brüggemann inzwischen eine neue Regel eingebaut: Jetzt muss der Kunde angeben, in welchem Zeitraum die Auswertung läuft. Brüggemann: "Damit verhindern wir, dass Unternehmen das Angebot nutzen, um den Leistungswillen der bestehenden Agentur zu reanimieren."

Die Dienstleistung, für die B & F im Jahr 2002 aus dem Agentur-Council ausgeschlossen wurde (ONEtoONE berichtete), wird jedem Kunden nur einmal angeboten, um "das Kennenlernen der Agentur zu erleichtern". Die im Sommer gegründete Oldenburger Agentur 2stand4 Communication, unter anderem mit Fokus auf Dialog- und Online-Marketing, verfolgt bereits das Konzept der geteilten Risiken. Die geschäftsführenden Gesellschafter Susanne Spanhake und Niels Bellmann setzen auf eine erfolgsabhängige Vergütung: In der Regel sind 70 Prozent des Honorars fix, die übrigen 30 Prozent werden gezahlt, wenn die Agentur eine besonders erfolgreiche Kampagne durchgeführt hat. Die Erfolgskriterien werden zuvor vertraglich vereinbart. "Glaube an den Erfolg vorausgesetzt, ist das eine gute Argumentation, um den Kunden zu begeistern", sagt Bellmann. "Wir freuen uns, dass sich viele Agenturen nicht auf erfolgshonorierte Modelle einlassen wollen."

Beim Angebot gebe es indes Grenzen, nämlich, wenn die laufenden Agenturkosten nicht mehr gedeckt werden. "Für kleine und mittlere Unternehmen machen wir in einem gewissen Maß Abstriche - etwa bei der Höhe des Tagessatzes. Für Konzerne mit großen Budgets nicht. Kennenlernangebote sind nicht vorgesehen", so Bellmann. Derzeit ist die Agentur, die sich "innovative Branchen" wie erneuerbare Energien ins Portfolio geschrieben hat, unter anderem mit der Vermarktung eines E-Learning-Tools für einen Automobilzulieferer betraut. Bellmann: "Wir übernehmen ein Drittel der Produktionskosten, sind dafür aber auch am Umsatz beteiligt."

Agenturethik - vom kostenlosen Pitch bis zur erfolgsabhängigen Vergütung - ist eine neverending Story der Agenturdebatte. Ethik heißt aber nicht nur: Wie handle ich gegenüber dem Wettbewerb lauter? Sondern auch Grauzonen zu identifizieren und Grenzen des Tolerierbaren festzulegen. Im Kern muss sich die Debatte darum kümmern, dass sich visionäre Agenturpraktiken etablieren, von denen alle - Kunden und Agenturen - gleichermaßen profitieren. ks

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