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Lycos pusht Chat-Anzeigen

20.09.2004 - Keyword-Advertising in neuer Form

Bei der Finanzierung von Such- und Content-Portalen hat sich das so genannte Keyword-Advertising bereits als feste Größe etabliert. Im Jubel über Erfolgsgeschichten von Anbietern wie Google und Overture ging bislang aber fast völlig unter, dass sich diese Werbeform mühelos auf ein ganz anderes Internet-Medium übertragen lässt: den ständig wachsenden Online-Chat.

Größter Vorreiter ist dabei der paneuropäische Portalbetreiber Lycos Europe, der mittlerweile jährlich siebenstellige Euro-Beträge durch Chat-Keyword-Advertising umsetzt. Dabei nutzen die Gütersloher eine Technik, die eigentlich für das Ausfiltern von nicht ganz jugendfreien Chat-Konversationen entwickelt wurde.

Nach Meinung von Lycos ist diese Technologie unverzichtbar für die Vermarktung von Chat-Rooms. Denn: "Werber wollen ein sauberes Umfeld haben", erklärt Jean-Pierre Fumagalli, Managing Director Sales von Lycos Deutschland. Seinen Angaben zufolge nutzt bereits die Hälfte der Lycos-Chat-Werbekunden das Keyword-Advertising des Internetkonzerns. Die größte Gruppe bilden dabei Telekommunikationsanbieter. Renommierte Autobauer sind auch vertreten, allerdings in einem deutlich bescheideneren Rahmen. Der Grund: Die Zielgruppe dieser Branche ist in der Regel älter als 30 Jahre. Die meisten Chatter sind aber zwischen 18 und 27. Das könne sich jedoch in den nächsten Jahren noch ändern, da die jetzigen User älter würden und das Medium trotzdem weiterhin nutzten.

Die größten Wachstumschancen bestehen laut Fumagalli bei Anbietern von Fast Moving Consumer Goods (FMCG), da die jugendliche Zielgruppe der Chat-Rooms für sie besonders interessant ist. Außerdem tasten sich diese Unternehmen laut Fumagalli noch vorsichtig an die Online-Werbung heran und wollen daher immer genau wissen, welche Resultate ihre Werbeausgaben erzielen. Insofern sei Chat-Werbung ideal für sie, da hier eine Kombination aus Keyword-Targeting mit Geschlechts-, Alters- und Regions-Targeting möglich ist. Schließlich müssen sich die Chatter vor dem Betreten der Chat-Rooms anmelden und somit persönliche Daten preisgeben. Die Folge: "Ich kann sehr spitz auf meine Zielgruppe eingehen", sagt Fumagalli.

Die Keyword-basierte Werbung erscheint entweder als animierter Banner (Rich-Media-Ad), als Textlink im Umfeld des Chat-Rooms oder als Gesprächstext von virtuellen Gesprächspartnern, so genannten Bots (Kurzform für Robots). Diese klinken sich ab und zu in die Chats ein und weisen auf kommerzielle Internet-Angebote hin, die zu den jeweiligen Gesprächsthemen passen.

Bei den Rich-Media-Ads liegen die Klickraten im Durchschnitt bei 20 bis 30 Prozent, teilweise wurden auch Spitzenwerte von 60 bis 70 Prozent erreicht. Bei den Chat-Links meldet Lycos eine Klickrate von einem bis drei Prozent. Die Rich-Media-Ads kosten zwischen 0,80 und 1,50 Euro pro Click, je nachdem wie dezidiert getargeted wird. Bei Chat-Links beträgt die Preisspanne 50 Cent bis ein Euro, ebenfalls abhängig von den gewünschten Targeting-Kriterien.

Für die Zukunft erwartet der Lycos-Manager ein jährliches Umsatzplus von 20 bis 25 Prozent, hauptsächlich durch die Integration des Chat-Bereichs von Yahoo. Diese führte in den letzten Monaten dazu, dass sich die Chat-Gemeinde von Lycos auf vier Millionen nahezu verdoppelte. Den größten Zuwachs verzeichnete der spanische Markt mit einem Plus von 250 Prozent. Hier zu Lande erhöhte sich die Zahl der registrierten Chatter um 25 Prozent auf etwa 780.000. Diese plaudern durchschnittlich 3,9 Tage die Woche im Netz, teilweise bis zu zehn Stunden am Tag.

Einen weiteren User-Schub erhoffen sich die Gütersloher durch den kürzlich realisierten Relaunch des Chat-Bereichs, in dessen Rahmen die Technologie überarbeitet, Karteileichen entfernt, verschiedene Arten von Mitgliedschaften eingeführt und das bisherige Lifestyle-Design durch ein Comic-Layout mit vielfältigen Animationen ersetzt wurden. Zudem vertraut Lycos auf den allgemeinen Trend zum Chatten. "Chat ist inzwischen zum Massenphänomen geworden und aus der Internet-Welt nicht mehr wegzudenken", sagt Lycos-Europe-Sprecher Kay Oberbeck.

Dass die Chat-Community wächst, ist unerlässlich, wenn man die Werbe-Spendings im Chat-Bereich erhöhen will. Schließlich sind die Werbeflächen - im Gegensatz zu vielen anderen Online-Werbeträgern - schnell erschöpft: Lycos-Chatter bekommen eine identische Werbung nur einmal pro Tag zu sehen. Die erste Werbeeinblendung erfolgt nach fünf Minuten. Danach folgen Werbepausen von 10 bis 15 Minuten. Laut Fumagalli ist die Awareness so deutlich höher. Allerdings führten diese Begrenzungen in letzter Zeit oft dazu, dass die Werbeflächen ausgebucht waren und somit kein Wachstum mehr möglich war.

Der entscheidende Vorteil des Werbeträgers Chat-Room besteht darin, dass die Nutzer in der Regel viel Zeit haben, um sich Werbung anzugucken. "Wir haben es mit Leuten zu tun, die relativ lange vor ihrem Rechner sitzen und offen für Neues sind", sagt Uli Kramer, Geschäftsführer der Werbeagentur pilot group. Wenn nicht gerade eine hitzige Diskussion stattfinde, ließen sich Chatter gerne ablenken, insbesondere von lustigen und verspielten Werbeformen, die innerhalb des Chats genutzt werden können.

Damit unterscheidet sich der Chat grundlegend von Suchmaschinen-Angeboten: "Wenn man zielstrebig sucht, will man nicht von irgendwelchen Angeboten abgelenkt werden", erklärt der Geschäftsführer der Suchmaschinen-Marketing-Agentur eprofessional, Christian Petersen. Trotz dieser überzeugenden Argumente muss laut Fumagalli aber noch viel Überzeugungsarbeit für die Werbung in Chat-Rooms geleistet werden. Der Grund: Bei vielen Werbern sind Chat-Rooms noch "negativ behaftet". "Da ist viel Schlechtes gelaufen in letzter Zeit", gibt Fumagalli zu. Er spielt damit auf schmuddelige Konversationen in diversen Chat-Rooms der Konkurrenz an, die viele Werber abschreckten. Die Konsequenz: Chat-Rooms, die das Problem nicht in den Griff bekamen, mussten ihre Angebote einstellen oder - wie bei Yahoo geschehen - an die Konkurrenz abgeben.

Ein weiterer Grund für die bislang recht geringen Werbe-Spendings in Chat-Rooms besteht darin, dass dieses Medium selbst für Internet-affine Werber noch relativ neu ist. Die wahren Experten des Chats sitzen folglich nicht in den Agenturen und Unternehmen, sondern in den Klassenzimmern der Republik. Zudem fürchten sich laut Kramer viele Unternehmen vor einem schonungslosen Feedback der Nutzer. Dabei haben die Marketingleiter das Schreckensszenario vor Augen, dass die Nutzer gemeinsam über eine eingeblendete Werbung lästern.

Fraglich ist zudem, wie die Nutzer diese Art der Beobachtung annehmen. Kramer vergleicht die Werbesprüche der Bots in den Chats mit einem Kellner, der den Gesprächen seiner Gäste lauscht, um dann im richtigen Augenblick das passende Getränk anzubieten. Keine besonders verlockende Vorstellung. Kramer findet diese Art von Werbung daher auch "zu aggressiv" und bezweifelt, dass Heavy Chatter, die bis zu zehn Stunden täglich im Netz sind, überhaupt Zeit haben, die beworbenen Waren zu kaufen.

Zudem sei es beim Keyword-Advertising in Chats äußerst schwierig, den richtigen Zusammenhang zu treffen. So sei es beispielsweise fatal, wenn in einem Gespräch über einen Unfall mit einem Auto die BWM-Werbung "Freude am Fahren" eingeblendet würde. Sinnvoll sei es dagegen, im Umfeld von Themen-Chats für passende Produkte zu werben, zum Beispiel für Objektive in einem Themen-Chat-Room für Hobbyfotografen. "Da wird aus einer lästigen Werbeunterbrechung eine relevante Produktinformation", erklärt Kramer. Viel Potenzial sieht er auch in der direkten und persönlichen Ansprache der Nutzer durch Unternehmensvertreter, die sich als solche zu erkennen geben und die Chatter ganz offen nach ihren Erfahrungen mit bestimmten Produkten fragen.

Der Großteil der Lycos-Konkurrenz lässt sich indes von solchen Perspektiven nicht beeindrucken und verzichtet auf eine Vermarktung ihrer Chat-Keywords, unter anderem deshalb, weil sich die Nutzer zu sehr beobachtet fühlten, die Response-Raten zu schlecht seien und die Nachfrage nach solchen Angeboten zu gering, heißt es bei Chat-Anbietern wie Redseven, Metropolis und MSN. Auch die Suchtreffer-Vermarkter, die das Keyword-Advertising bereits erfolgreich auf Such- und Content-Portalen einsetzen, sind noch skeptisch. Andreas Ludewig, Business Development Director von Overture, muss zwar zugeben, dass Chats hohe Reichweiten generieren, bezweifelt aber, dass die Nutzer diese Werbeform akzeptieren.

Kristina Prokop, Business Development Manager von Mirago Deutschland, findet Werbetexte in Chats "viel zu penetrant". Google Deutschland will die Entwicklung erst einmal in Ruhe beobachten und betont, dass andere Projekte zurzeit Priorität hätten. Für Espotting-Geschäftsführer Raimar von Wienskowski kommt diese Werbeform überhaupt nicht in Frage, da die Post-Klick-Konvertion"äußerst niedrig" sei.

Etwas mehr Zustimmung findet das Lycos-Modell bei den Suchmaschinen-Marketing-Dienstleistern eprofessional, Webeffekt und Advertising.com. Nach Meinung von eprofessional-Geschäftsführer Christian Petersen hat das Keyword-Advertising besonders in den Bereichen Dating, Erotik und Glücksspiel gute Erfolgsaussichten, da die Nutzer dieser Bereiche "richtig viel Zeit haben". Webeffekt-Chef Robert Biermann hält Keyword-Advertising nur bei Markenwerbung und der Generierung von Gewinnspielteilnehmern für ratsam. Bei konkreten Erfolgszielen wie Abverkäufen oder Interessentengewinnung im B-to-B-Bereich sei Suchmaschinen-Marketing aufgrund der besseren Optimierbarkeit sehr viel geeigneter. Advertising.com-Manager Nils Röhrig kann sich zumindest vorstellen, dass diese Art von Werbung "bis zu einem gewissen Grad funktioniert". brö

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