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Joy of Use kontra digitales Dauer rauschen

01.07.2008 - Agenturen versuchen beim E-Mail-Marketing die Nutzer mit kreativen Konzepten und relevanten Inhalten zu gewinnen. Die Zukunft desKommunikationskanals liegt im Mobile-Bereich.

Gut 30 Jahre ist es her, dass ein gewisser Gary Thuerk eine Mail an 400 Nutzer des Arpanets schickte, das heute als Vorläufer des Internets gilt. Der Marketing-Manager lud in seiner Nachricht vom 3. Mai 1978 zu einer Produktpräsentation seines Arbeitgebers Digital Equipment Corporation (DEC) ein. Dieser Moment wird heute von vielen als Beginn eines Phänomens gesehen, das die Arbeit der Marketer bis zum heutigen Tage erschwert - Gary Thuerk hatte die erste Spam-Mail verschickt.


Spam schadet Akzeptanz
Bis heute sind Spam-Mails, so GKK-Geschäftsführer Harald Kling, "eine der größten Hürden" für erfolgreiches E-Mail-Marketing. "Sie schaden der Akzeptanz von E-Mails im Allgemeinen. Hierdurch reduziert sich die Chance, E-Mail-Marketing als Eroberungs-Tool zu nutzen. Die meisten Anstöße werden als Spam deklariert und aussortiert." Daniel Adolph, Geschäftsführer von Jung von Matt/Neckar, pflichtet bei: "Unter anderem bedingt durch Spam und die schiere Masse versendeter Mails wird es immer schwieriger, zufriedenstellende Zustellungs-, Öffnungs- und Response-Raten zu gewährleisten."

Der Versuch der User, Spam mit gesonderten Programmen und Filtern zu bekämpfen, erschwert das Geschäft der E-Mail-Marketer zusätzlich. Sven-Ole Binder, einer der beiden Geschäftsführer von Rapp Collins: "Durch die Spam-Filter erreicht in manchen Fällen weniger als die Hälfte der versendeten E-Mails überhaupt ihr Ziel, und der Absender wird vom Internet Service Provider geblockt. Sollte dies vermehrt auftreten, kann er sogar für immer geblockt werden und muss sich dann mühsam wieder um eine "weiße Wes-te" bemühen - und das, obwohl sich sowohl das Unternehmen als auch die Agentur an alle Datenschutzrichtlinien gehalten haben." Wichtig sei daher, im Vorfeld das Risiko so gering wie möglich zu halten, durch Voraussicht beim Erstellen des Textes und beim Aufbau der E-Mails sowie durch Testaussand.

Das Ziel, die Spam-Gefahr zu reduzieren, hat sich die Certified Senders Alliance (CSA) auf die Fahne geschrieben, eine Initiative des Verbandes der deutschen Internet-Wirtschaft Eco sowie des Deutschen Dialogmarketing Verbandes (DDV). Bei der CSA können sich Massenversender, die permissionbasiertes E-Mail-Marketing betreiben, nach Prüfung und gegen Gebühr auf einer Positivliste eintragen lassen. Ihre Dienste sind damit bei Internet Service Providern (ISP), also Anbietern von E-Mail-Accounts wie GMX, Freenet oder 1&1, legitimiert. Der Vorteil: Die Mails der CSA-zertifizierten Versender werden nicht fälschlicherweise von den Spam-Filtern der ISP-Server abgefangen. Zudem müssen die E-Mail-Marketer dafür nicht mit jedem ISP einzeln verhandeln.

Laut Dr. Andreas Kloevekorn jedoch, Senior Consultant und Management Supervisor von Tribal DDB Hamburg, haben sich die Probleme rund um Spam und Bildunter-drückung sowieso "als nicht ganz so dramatisch erwiesen, wie man es vor einem oder zwei Jahren noch angenommen hat. Zwar sind Öffnungs- und Klickraten im Schnitt etwas gesunken, aber nicht in einem Maß, das die Wirksamkeit des Kanals wirklich in Frage stellt." Kai Greib, Business Unit Director bei Neue Digitale, ist ähnlicher Meinung: "Die Probleme sind weniger technischer Natur, sondern liegen vielmehr an der fortschreitenden Übersättigung der Empfänger durch digitale Werbebotschaften."


Lösung: Kreativität und Relevanz
Die Agenturen wollen diese Probleme mit den ureigenen Tugenden bekämpfen. Greib etwa will der Situation "mit Relevanz und Kreativität" begegnen. "Beispielsweise in Form von speziell auf die Bedürfnisse der Empfänger zugeschnittenen E-Mails. Außerdem: durch konzeptionell und visuell he-rausragende E-Mails, welche den Joy of Use in den Vordergrund stellen." Auf Aufmerksamkeit durch Visualität setzte Neue Digitale etwa beim E-Mail-Marketing für die "Y-3 Reflections"-Kampagne für Adidas. Die Abonnenten erhielten den Newsletter des Luxus-Modelabels spiegelverkehrt und konnten diesen nur mit Hilfe eines Spiegels oder durch Besuch der Website lesen. Dort zersprang in einer Animation zunächst die dem Kampag-nennamen entsprechende Reflektion, wurde schließlich umgedreht und somit entzifferbar.

Auch Jung von Matt/Neckar-Geschäftsführer Daniel Adolph verweist auf den "optimalen Zuschnitt der Inhalte auf den Empfänger". Außerdem versuche JvM/Neckar natürlich auch "durch kreative Ansätze gegenzusteuern". Für "The History Channel" etwa, ein Programm von Kabel Deutschland, hat die Agentur eine zweistufige E-Mail-Kampagne mit rückdatierten Nachrichten aus der Flower-Power-Ära durchgeführt. "Da E-Mails nach Eingangsdatum bzw. -zeit sortiert werden, landeten die Mails automatisch am Ende der Liste. Es wird jedoch so lange eine ungelesene E-Mail angezeigt, bis der User die Mail aus der Vergangenheit findet - und öffnet." Den Juroren des Deutschen Dialogmarketing-Preises war die Kampagne eine Auszeichnung wert.

Neben der Originalität ist besonders die persönliche Relevanz der Informationen für den Empfänger nach Ansicht der Kreativen für den Kampagnenerfolg entscheidend. Sven-Ole Binder von Rapp Collins sieht darin "die größte Herausforderung beim E-Mail-Marketing". Da es sich um ein eher günstiges Tool handele, werde E-Mail-Marketing oft zu stark eingesetzt. "Dabei wird vielmals außer Acht gelassen, dass E-Mails relevant für ihre Empfänger sein müssen, um nicht sofort gelöscht zu werden." Binders Agentur setzt hier auf genaue Zielgruppenanalyse und entsprechende Ansprache. "Die Produktion der E-Mails wird darauf eingestellt, dass Botschaften immer selektiver und zielgerichteter werden. So kann es passieren, dass eine einzige E-Mail in 256 Versionen versendet werden muss."

Ein Newsletter müsse, nach Ansicht von Marcus Kikisch, Geschäftsführer der Interone Worldwide in München, zum einen für den Empfänger klare Mehrwerte in Form von auf ihn abgestimmten Content enthalten. "Zum anderen muss die Frequenz wohl überlegt sein. Oftmals gilt in beiden Fällen: Weniger ist mehr. Dies ist insbesondere auch darum zu berücksichtigen, als die Konsumenten meistens mehr als einen Newsletter abonniert haben", so Kikisch weiter. "Schlecht vorbereitete E-Mail-Kampagnen können auch nach hinten losgehen", warnt Martin Lange, Geschäftsführer der Argonauten G 2 Berlin, "wenn sie vom Empfänger als Spam angesehen werden!" Lange rät deshalb: "Habe ich keine Neuigkeiten zu berichten, sollte ich Empfänger auch nicht mit Belanglosem verärgern." Die Faktoren Permission, Ansprachezyklen und Anspracherelevanz sieht er als "absolut zentral" an.


Schnell, günstig und messbar
Trotz dieser Hindernisse besitzt E-Mail-Marketing immer noch inhärente Vorteile: "Als Variante des Dialogmarketings bietet E-Mail-Marketing eine effiziente Möglichkeit, verschiedene Zielgruppen schnell und günstig anzuschreiben", so Sven-Ole Binder von Rapp Collins. "Durch die Schnelligkeit des Kanals können Fallback-Strategien kurzfristig zum Einsatz kommen, sollten bestimmte Ziele nicht rechtzeitig erreicht werden." Zur Teilnehmerwerbung für den Kongress Adobe Max etwa startete Rapp Collins eine vierstufige E-Mail-Kampagne. "Die Response-Quote wurde kontinuierlich analysiert und mit den Anmeldungszahlen abgeglichen. Somit konnte nach jeder Stufe schnell reagiert und die Ansprache individuell angepasst werden", erläutert Binder.

Besonders "bei Kunden, die auf Direktvertrieb über das Internet setzen", so Dr. Andreas Kloevekorn von Tribal DDB, "kann E-Mail-Marketing den Vorteil präziser Messbarkeit ausspielen, weil Werte wie Cost-per-Order kurzfristig erhoben werden können und gegebenenfalls eine Nachsteuerung der Maßnahme ermöglichen". Außerdem hat die E-Mail im Rahmen integrierter Kampagnen, die über einen längeren Zeitraum laufen, "eine wichtige Rolle zur regelmäßigen Aktivierung der Interessenten übernommen", so Dr. Kloevekorn weiter.


Bei Kunden größtenteils akzeptiert
Als Marketing-Instrument scheint E-Mail-Marketing bei den Agenturkunden dementsprechend angenommen zu werden. Laut Martin Lange von Argonauten G 2 gehört es "bei jeder Kampagnenplanung seit vielen Jahren ins Briefing". Auch Marcus Kikisch von Interone erachtet die Marketingdisziplin als "größtenteils akzeptiert, bei einigen Geschäftsmodellen im Web sogar absolut unverzichtbar". Die Akzeptanz und die Notwendigkeit, E-Mail-Marketing zu betreiben, sei jedoch zwischen den einzelnen Branchen unterschiedlich. Jan Möllendorf, Geschäftsführer von Defacto Kreativ, sieht ebenfalls eine analog zur wachsenden Nutzung stetig steigende Akzeptanz. "Trotzdem gibt es nach wie vor Kunden, die dem Thema E-Mail-Marketing skeptisch gegenüberstehen." Auch Harald Kling von GKK sieht trotz der bereits etablierten Stellung weiterhin die Notwendigkeit für "Überzeugungsarbeit, aber mehr noch für Aufklärungsarbeit. Denn das Thema wird oft unterschätzt beziehungsweise verkannt. Gemeint ist hiermit nicht nur der Kostenfaktor, sondern auch mögliche Einsatzgebiete und Vorgehensweisen."

Kai Greib von Neue Digitale unterscheidet hinsichtlich der Funktion, die E-Mail-Marketing im Medienmix übernimmt, zwischen zwei generellen Richtungen: "Erstens die E-Commerce- getriebenen Unternehmen, die mit einer oder mehreren E-Mails pro Woche mit ihren Kunden und potenziellen Neukunden kommunizieren und diese zum Kauf auffordern, zweitens die Image-getriebenen Unternehmen, welche die Maßnahme in erster Linie zur Stärkung ihrer Kundenloyalität und zur Generierung von Traffic auf ihren Websites nutzen." Letztlich, so Martin Lange von Argonauten G2, bleibt es "eine Frage des Produktes und der Zielgruppe, ob E-Mail-Marketing in den Medienmix gehört".


Probleme bei Adressen und Darstellung
Nicht nur die drohende Einordnung als Spam, sondern auch andere Faktoren sollten im Vorfeld einer E-Mail-Marketing-Kampagne bedacht werden. "Oftmals scheitert E-Mail-Marketing an fehlenden oder falschen Adressen", so Argonaut Martin Lange, etwa "wenn ein Unternehmen oder die betreuende Agentur die Adressen nicht konsequent gesammelt oder nicht gut gepflegt hat. Mit unvollständigen Daten lässt sich nicht erfolgreich arbeiten. E-Mail-Marketing basiert auf der Wertschätzung und sorgfältigen Durchführung des Adressmanagements, entweder durch das Unternehmen selbst, die betreuende Kreativagentur oder einen dritten Dienstleister." Auch für Daniel Adolph von JvM/Neckar sind valide Verteiler ein Muss: "Die mitunter größte Herausforderung dürfte in der Verteilerpflege liegen." Dabei müssen die Adressen nicht nur aktuell sein, sondern auch die notwendige Permission des Empfängers muss vorliegen.

Ein weiteres Problem: "Bedingt durch die verschiedenen Mail-Programme und unterschiedlichen Webmailer gibt es nur einen kleinen gemeinsamen Nenner, was die visuelle und inhaltliche Gestaltung angeht", so Daniel Adolph von Jung von Matt/Neckar. Sandra Roßner, Geschäftsführerin von Defacto Digital, setzt daher auf "regelmäßige detaillierte Tests bei den wichtigsten Internet-Service-Providern und Mail-Clients" und auf den sparsamen Einsatz von Bildern.

Für Standards bei der Darstellung von HTML-Mails in E-Mail-Clients setzt sich außerdem das E-Mail-Standards-Project ein. Die von US-amerikanischen und australischen Software-Entwicklern und Designern gestartete Initiative existiert seit einem Jahr.

Selbst die Etablierung solcher Standards bei Desktop-Clients würde das Darstellungsproblem aber wohl noch nicht vollends lösen. "Erschwerend kommt hinzu", ergänzt Adolph von Jung von Matt/Neckar, "dass E-Mails - insbesondere im Bereich B-to-B - mitunter gar nicht mehr im Mail-Client gelesen werden, sondern alternativ per Mobiltelefon. Hier hilft eigentlich nur das permanente Monitoring der technischen Möglichkeiten." Auch Dr. Andreas Kloevekorn von Tribal DDB sieht die Darstellung auf mobilen Endgeräten als "eine große Herausforderung": "Die Darstellung von HTML-Mails ist nach wie vor nicht zufriedenstellend. Wegen der geringeren Standardisierung im mobilen Bereich ist es dort schwieriger und aufwändiger, zu einer einheitlichen Lösung zu kommen."


Technologie-Innovationen als Chance
Dr. Kloevekorn sieht eine weitere Herausforderung für die Zukunft "in der immer schnelleren Entwicklung neuer Kanäle. E-Mail-Marketing ist gerade erst etabliert und für viele Entscheider noch ein neuer Kanal. Für jüngere Nutzer ist es aber bereits der Kommunikationskanal ihrer Eltern." Diese nutzten zur Kommunikation eher Instant-Messenger sowie RSS, um sich über Updates auf Websites zu informieren. "Das ist nicht das Ende des E-Mail-Marketings, das einige bereits ausrufen", sagt Dr. Kloevekorn, "verändert aber die Positionierung im Marketingmix. Die spannende Aufgabe liegt darin, diese Kanäle jeweils an der richtigen Stelle und für die richtige Zielgruppe zu nutzen und intelligent zu verknüpfen."

Daniel Adolph von Jung von Matt/Neckar sieht in der Frage nach der Innovationsbereitschaft im E-Mail-Marketing weniger ein Problem als vielmehr eine Chance. Neben intelligent gesteuerten Individual-Mails liege die Zukunft in der Nutzung zusätzlicher Technologien. "Viele User bevorzugen bereits heute RSS-Feeds oder Alerts, die sie nur bei Bedarf sichten, statt Newsletter, die regelmäßig die Mailbox füllen." In dieser Hinsicht sollte man, so Adolphs Ansicht, "künftig vermehrt über den Tellerrand schauen".

Auch Kai Greib von Neue Digitale sieht noch Möglichkeiten. "Das Potenzial von E-Mail-Marketing wird oftmals noch nicht voll genutzt." Zukunftsträchtig seien die Themen TargetedE-Mails sowie die Verbindung von E-Mails zur Website durch spezielle Landing Pages, die "teilweise in frühem Entwicklungsstadium" seien.

Keine Zukunft mehr hat hingegen die Digital Equipment Corporation. Zwar hatte die damalige Aktion ihres Angestellten, des Spam-"Erfinders" Gary Thuerk, dem Konzern Medienberichten zufolge zu 13 bis 14 Millionen US-Dollar mehr Umsatz verholfen. Vor zehn Jahren jedoch wurde die DEC, die lange als führender Intel-, IBM- und Microsoft-Konkurrent galt, zerschlagen und unter ehemaligen Mitbewerbern aufgeteilt. (re)

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