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Agenturen ohne Network - Freiheit ohne Grenzen?

29.06.2003 - Wie ist das Werber-Dasein nach einer Trennung vom Network? Bestens, meinen Reincke und elbfeuer

vh Selbst ein nur kurzer Blick in die Tageszeitungen beweist fast täglich aufs Neue: Kleine und mittelständische Unternehmer haben es hier zu Lande nicht leicht - stellvertretend seien hier Kündigungsschutzgesetz und Basel II, eine zusehends schlechtere Zahlungsmoral und negative Konjunkturprognosen genannt. Viele Marketer verharren deshalb in ihren vermeintlich sicheren Positionen, meiden jegliches Risiko und hoffen auf die wirtschaftliche Wende. Umso mehr fällt auf, wenn jemand unorthodoxe Maßnahmen ergreift. So zum Beispiel die Aschaffenburger Agentur Reincke Dialog, die sich zum Jahreswechsel 2001/2002 nach rund viereinhalb Jahren Network-Zugehörigkeit aus Draft Worldwide herauskaufte. Oder elbfeuer, die bis September letzten Jahres ThompsonConnect hieß und sich erst aus der J. Walter Thompson Group und im Dezember 2002 auch aus der WPP-Holding verabschiedete. Fragt sich, ob die Entscheidung für die Autarkie tatsächlich ratsam ist. ONEtoONE hat sich bei den Führungsriegen von Reincke Dialog und elbfeuer danach erkundigt:

ONEtoONE: Zu geringe Größe, keine internationale Anbindung und somit mangelnde Schlagkraft - das sind Argumente, die mancher Marketingleiter anführt, wenn er sich gegen eine inhabergeführte und für eine Network-Agentur entscheidet. Was setzen Sie diesen Argumenten entgegen?

Helmut Kotschisch: Die Größe von elbfeuer ist für unsere Kunden meistens das schlagende Argument für uns gewesen. Mit unserer Größe, aktuell 20 Mitarbeiter, verbinden unsere Kunden höhere Flexibilität, höhere Prozessgeschwindigkeit, stärkeres Engagement und Nähe zu den Inhabern. Eine internationale Anbindung ist sicher attraktiv und macht sich bei Präsentationen auch immer ganz prima. Durch unsere WPP/JWT-Verbindung konnten wir fünf Jahre lang diese Anbindungen offerieren. Genutzt hat sie keiner der von uns akquirierten Kunden. Wenn international Geschäft zu machen war, hat sich das Network meist direkt die Aufgaben gesichert. An uns ist nie ein Etat deswegen vorbeigegangen, weil wir international nicht hätten arbeiten können. Das war schon bei Scholz & Friends nicht anders. Die Schlagkraft ist natürlich immer von der Aufgabe abhängig. Eine größere Agentur kann vielleicht schneller eine TV-Kampagne auf die Beine stellen, weil die das öfter machen. Aber im Daily Business sind wir flinker und flexibler, weil wir schlanker sind. Peter Richard Reincke: Auch wir haben geglaubt, dass eine Network-Anbindung Vorteile in der Akquisition bringt. Die Erfahrung hat uns jedoch gezeigt, dass Internationalität zwar den Horizont erweitert, das Business jedoch immer "local" ist. Keiner der in dieser Zeit gewonnenen Neukunden hat seine Entscheidung aufgrund unserer Network-Zugehörigkeit getroffen. Zudem waren und sind wir mit einem Team von zurzeit nicht ganz 30 Leuten durchaus in der Lage, schlagkräftig zu agieren und dabei immer noch das große Ganze im Auge zu behalten. Kunden erwarten Flexibilität und persönliches Engagement. Marketingleiter, die sich bewusst für Größe entscheiden, tun dies meist, um ihr eigenes Ego mit dem Namen der Agentur zu streicheln.

OtO: Mal ehrlich: Können denn kleine Agenturen - in nennenswertem Umfang - für große Marken arbeiten? Martin Riesenfelder: Natürlich ist das möglich. Aber natürlich gibt es auch Grenzen. Wir arbeiten seit vielen Jahren in bestimmten Bereichen zum Beispiel für BMW, Siemens, die HEW und Shell. Der Umfang war für unsere Agentur in den letzten Jahren in jedem Fall "nennenswert". Wenn jetzt eine große Marke mit - sagen wir - einem zweistelligen Millionen-Etat zu uns käme, würden wir uns natürlich die Hände reiben, aber wir hätten auch eine ziemlich große Herausforderung auf dem Tisch. Dann muss man eben eine Struktur bauen, die einer solchen Aufgabe bestmöglich gewachsen ist. Das ist auf jeden Fall zu schaffen. Nur übernehmen darf man sich halt nicht. Beate Langschmidt: Selbstverständlich! Wir entwickeln zum Beispiel für die Marke Neckermann Versand seit vielen Jahren die komplette Anstoßkette. Das heißt, wir kreieren nahezu jeden personalisierten Kundenkontakt und sind somit an der Markenführung nicht unwesentlich beteiligt. Die entscheidenden Kriterien sind strategische Ideen, Kreativität sowie Flexibilität und Zuverlässigkeit in der Umsetzung. Das ist mit einem kleineren engagierten Team wesentlich einfacher als mit 200 Leuten. Oder warum bilden die großen Agenturen sonst Units?

OtO: Lieber einen Controller aus dem Network als den Sachbearbeiter der ortsansässigen Sparkasse im Nacken - die Banker spielen derzeit eine unrühmliche Rolle, wenn es um die Unterstützung kleinerer Unternehmen geht. Was machen Sie, wenn Sie Geld für Investitionen brauchen?

Kotschisch: Jeder gute Kaufmann ist sich darüber im klaren, dass man in guten Zeiten Rücklagen für Zeiten wie diese bildet. Zwischen dem Banker und dem Controller gibt es kaum einen Unterschied - beide sitzen einem, wenn es mal nicht gut läuft, im Nacken. Der Banker spricht deutsch, der Controller in der Regel englisch. Beide interessieren sich nicht für das Business, sondern für die Kohle. Das ist ihr Job.

Reincke: In fünf Jahren Network-Zugehörigkeit haben wir fünf Controller kommen und gehen sehen. Unser Banker steht uns schon seit sieben Jahren zur Seite. Er weiß, woran er bei uns ist - was man von den Network-Controllern eigentlich nie behaupten konnte. Aber zur Frage: Sie haben natürlich recht. Wer heute auf die Unterstützung der Kreditinstitute zu- rückgreifen muss, ist verraten und verkauft. Eine hohe Eigenkapitalquote sowie Liquiditätsreserven sind für einen Dienstleister unserer Größenordnung lebenswich- tig. Auch wenn sie manchmal schmerzhafte Maßnahmen erfordern. OtO: Viele Angestellte träumen davon, einmal ihr eigener Herr zu sein. Was muss ein Agenturmensch mitbringen, wenn er eine inhabergeführte Agentur etablieren will?

Riesenfelder: Viel Mut, viel Kompetenz, viel Ehrgeiz, viel Gespür für Menschen, viel Glück bei der Auswahl des/der Partner/s, viele gute Kontakte und viel viel viel Zeit, denn ohne viel viel Arbeit wird´s nichts werden. Ach ja, und was der Agenturmensch auf jeden Fall noch braucht, ist ein gutes Rückgrat. Er wird sehr häufig zu kostenlosen Pitches renommierter Unternehmen eingeladen werden, bei denen es um Etats unbekannter Größe für einen unbestimmten Zeitraum geht - da muss man Nein sagen können. Langschmidt: Ganz klar: Eiserner Wille, knallharte Disziplin, acht Tage die Woche jeweils 40 Stunden arbeiten und jeden Tag mindestens eine neue Geschäftsidee produzieren. Im Ernst: Selbst das umfassendste Know-how, die besten Kontakte, das größte Engagement genügen nicht, wenn man schwarze Zahlen schreiben will. Eine solide finanzielle Grundlage und betriebswirtschaftlicher Durchblick sind unerlässlich. Der wesentlichste Aspekt ist jedoch ein hoch motiviertes, engagiertes Team, auf das man sich 150-prozentig verlassen kann.

OtO: Haben Sie den Ausstieg aus dem Network schon mal bereut?

Kotschisch: Grundsätzlich: Eine Network- Anbindung ist dann klasse, wenn beide Seiten wirklich davon profitieren und man tatsächlich ein gemeinsames Haus bauen will. Was uns anbelangt, haben wir den Ausstieg aber nicht bereut. Wir können unsere Agentur so prägen, wie wir und unser Team es möchten. Wir haben mehr Zeit zum Arbeiten, weil Network-Meetings wegfallen. Und wir können zum Beispiel unsere Büroräume selbst wählen, ohne den Segen des Network-"Space-Managers" haben zu müssen - um nur einige Vorteile zu nennen, die man als Nicht-Network-Agentur hat.

Reincke: Zu keinem Zeitpunkt. Oder, vielleicht doch: Auf den internationalen Manager-Meetings, die - nebenbei bemerkt - immer an ausgesucht schönen Plätzen dieser Welt stattfanden, haben wir interessante Menschen aus aller Herren Länder kennen gelernt. Aber mit denen, die mit uns auf einer Wellenlänge liegen, haben wir auch ohne das Network heute noch Kontakt.

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