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Radikaler Werbestopp?! Was eine Zero-Advertising-Strategie mit Marken macht

06.09.2023 - Was passiert, wenn man einfach mal keinerlei Werbung mehr macht? Führt eine solche Strategie zwangsläufig zu sinkenden Marktanteilen? Oder lässt sich auch ohne Paid Media ausgezeichnet leben? Die groß angelegte Studie "When Brands go dark ..." bringt Licht ins Dunkel. Überraschung garantiert!

von Dominik Grollmann

Was genau ist Werbung eigentlich wert? Die Frage stellt sich nicht nur im kleinen, wenn einzelne Werbeplätze gekauft werden - sondern auch im ganz großen, wenn es um die Frage geht, was die ganze Werbung einem Unternehmen überhaupt bringt.

Und: Die Frage ist aktueller denn je. Denn es muss ja nicht immer klassische Werbung sein. In Zeiten von Owned Media, Social Networks und Story Telling gibt es schließlich zahlreiche alternative Wege, um den Verbraucher zu erreichen. Kann also eine Zero-Advertising-Strategie genauso gut wie ausgefeilte Werbekampagnen funktionieren? Würde eine Marke wirklich Marktanteile verlieren, wenn sie von einem Moment zum anderen auf Werbemaßnahmen verzichten würde?

"When Brands go dark ...": Endlich Antworten auf die Fragen aller Fragen?

Der Themenkomplex ist bereits seit den 1980er Jahren Gegenstand regelmäßiger Forschung - eine endgültige Antwort ist bislang aber noch nicht gefunden. Für einen validen Vergleich müsste man eine Marke unter Laborbedingungen in zwei identischen Märkten führen (die es in der Praxis natürlich gar nicht gibt) - einmal mit, einmal ohne Werbeunterstützung. Auf diese Weise ließen sich die Auswirkung beider Strategien auf Umsatz und Werbekosten leicht vergleichen. Tatsächlich wurde dieses Studiendesign bis 2008 in zahlreichen Untersuchungen angewendet - wenn auch unter vereinfachten Bedingungen. Typischerweise wird dazu in einer ausgewählten Testregion für einen bestimmten Zeitraum vollständig auf Werbung verzichtet. Der Warenabsatz in dieser Region kann dann mit den restlichen Verkäufen verglichen werden. Die Differenz beziffert die Werbewirkung.

Allerdings weist dieses Studiendesign nur eine eingeschränkte Aussagekraft auf: Aus Praktikabilitätsgründen wurden meist amerikanische Kabelfernsehhaushalte für die Tests gewählt, da sich im Kabelnetzwerk leicht einzelne Regionen gezielt adressieren (sprich: mit abweichenden Werbespots belegen) lassen. Dieser Umstand sorgt aber auch dafür, dass eben ausschließlich TV-Werbung getestet wird. Alle anderen Kanäle (Internet, Print, Radio, POS, Plakat) und flankierenden Marketingmaßnahmen bleiben außen vor und wirken munter weiter. Es ist jedoch naheliegend, dass der Einfluss von Fernsehwerbung in den vergangenen Dekaden kontinuierlich zugunsten des Internets zurückgegangen ist. Die Aussagekraft der Split-Screen-Studien fällt also immer geringer aus.

Radikaler Werbstopp: Test unter Realbedingungen

Aus diesem Grunde bietet es sich an, einer weiteren Methode Aufmerksamkeit zu widmen: Den Blick in historische Daten. Auch an ihnen lässt sich Werbeleistung ablesen und genau dies haben Wissenschaftler der University of South Australia   mit der Untersuchung "When Brands Go Dark - A Replication and Extension   ", veröffentlicht im Journal of Advertising Research   (Juni 2023) nun getan. Genau genommen haben sie einen Ansatz wiederholt und auf breitere Füße gestellt, mit dem sie 2021 schon einmal die Werbewirkung in einer eng umrissenen Branche (alkoholische Getränke in Australien) gemessen haben.

In der nun vorliegenden Untersuchung fahndeten die Autoren in den USA branchenübergreifend nach Marken, die für mindestens ein Jahr ihre gesamten Werbeausgaben auf Null fuhren. Für diese Produkte haben sie anschließend untersucht, wie sich die Marktanteile veränderten. Gegenüber Split-Screentests hat das Verfahren den Vorteil, dass nicht nur aktive Marken untersucht werden, die ein aktives Interesse an einem Test haben, sondern auch solche, die aus anderen Gründen ihre Werbung einstellten. Außerdem betrifft der Werbestopp nicht nur einzelne Regionen (die sich nie sauber abgrenzen lassen), sondern tatsächlich die landesweite Werbemaßnahmen. Zuletzt gehen die Autoren gehen davon aus, dass Unternehmen, die ihre Werbung schlagartig stoppen, nicht nur ihre Werbespendings, sondern auch ihre Marketing-Aktivitäten insgesamt reduzieren. Ein echter Werbestopp ist eben zwangsläufig realistischer als der beste Laborversuch.

Aber welche Gründe können eine Marke überhaupt dazu bewegen, von einem Monat auf den anderen alle Werbemaßnahmen einstellen? Sind das nicht notwendigerweise sterbende Marken? Tatsächlich gibt es viele Gründe, die auch eine ganz gesunde Marke zu diesem Schritt zwingen können:

  • Die Notwendigkeit, kurzfristig Gewinne aufzublähen, um eine Übernahmen zu vermeiden;
  • der Wettbewerb um Budgets innerhalb eines Markenportfolios;
  • die Umschichtung von Werbebudgets, um andere Produkte im Wettbewerb zu stärken;
  • die Befriedigung kurzfristiger Interessen von Kapitalinvestitionen.


Studiendesign: Umfangreiche Daten zu Branchen, Werbung und Absatz


Konkret standen den Forschen für ihre Untersuchung die Daten von Marken aus 22 Konsumgüterkategorien zur Verfügung, die in den USA in sechs aufeinanderfolgenden Jahren (von 2010 bis 2015) verkauft wurden. Dazu verfügten sie über die Werbeaktivitäten dieser Marken in Fernsehen, Radio, Zeitschriften, Zeitungen, Außenwerbung, Online-Website-Display und Kinowerbung - wobei nur Websites erfasst wurden, die von Nielsen Media gezählt werden.

Als "Werbestopp" definierten die Wissenschaftler eine Situation, in der die Ad-Spendings von einem Kalenderjahr zum nächsten um mindestens 99 Prozent reduziert wurden. In diesem Fall untersuchten sie, wie sich die Marktanteile für diese Marke gegenüber dem letzten Jahr vor dem Werbestopp veränderten. Dazu wurde der Marktanteil dieser Marke im Jahr unmittelbar vor dem Stopp als Basiswert verwendet, und der Marktanteil wurde mit diesem Wert für das (die) darauf folgende(n) werbefreie(n) Jahr(e) indexiert.

Außerdem berücksichtigten sie, welche Bedeutung die Marken auf dem Gesamtmarkt vor dem Werbestopp hatten - ob es sich also um eher große oder kleine Marken handelte. Marken wurden als groß (bzw. klein) eingestuft, wenn ihr Marktanteil in ihrem letzten beworbenen Jahr über oder gleich (bzw. unter) dem Medianwert der Einzelhandelskategorie lag.

Um außerdem eine Sicht auf die frühere Markenentwicklung zu erhalten, wurde der Marktanteil im vorletzten beworbenen Jahr mit dem Basisjahr (das heißt dem letzten beworbenen Jahr) indexiert. Fälle mit indexierten Anteilsveränderungen von zehn Prozent oder mehr wurden als wachsend (bzw. rückläufig )eingestuft, während Fälle mit geringerer Anteilsveränderungen als stabil eingestuft wurden.

Das Wichtigste zuerst: Wer nicht wirbt, der stirbt

Insgesamt ließen sich unter diesen Bedingungen 377 Fälle von 365 Marken identifizieren, die ihre Werbung für mindestens ein Jahr einstellten (zwölf Marken stellten ihre Werbung im Beobachtungszeitraum mehrfach ein). Davon stellten 197 Fälle die Werbung für die Dauer eines Jahres ein, während 180 Fälle zwei Jahre lang ohne Werbung blieben, 91 Fälle drei Jahre lang und 34 Fälle vier Jahre lang. Marken mit einer Unterbrechung von weniger als vier Jahren nahmen entweder die Werbung wieder auf oder erreichten das letzte Jahr des Datensatzes.

Obwohl bei der Betrachtung kleine Marken überwogen (72 gegenüber 28 Prozent), ist die Zahl der Marken, die ihre Werbung einstellen, in jeder Gruppe fast gleich hoch (29 Prozent wachsend, 34 Prozent stabil und 37 Prozent rückläufig). Daran lässt sich ablesen, dass große und bedeutende Marken ihre Werbung ebenso häuft einstellen wie kleinere oder angeschlagene Marken.

Sehr deutlich zeigen die mittleren Marktanteilsindizes, dass Marken nach einem Werbestopp im allgemeinen Marktanteile verloren haben. Im Durchschnitt veränderte sich der Marktanteil der Marken wie folgt:

  • Nach einem Jahr ohne Werbung: -10 Prozent gegenüber dem Basisjahr.
  • Nach zwei Jahren ohne Werbung: -20 Prozent gegenüber dem Basisjahr.
  • Nach drei Jahren ohne Werbung:-28 Prozent gegenüber dem Basisjahr.
  • Nach vier Jahren ohne Werbung: -30 Prozent gegenüber dem Basisjahr.


Auffällig ist dabei, dass die durchschnittliche Rate des Rückgangs in den ersten drei Jahren nahezu gleich bleibt, sich dann aber im vierten Jahr deutlich verlangsamt.

Einfluß von Markengröße und vorherige Entwicklung


Deutlich empfindlicher reagierten auch kleine Marken auf einen Werbestopp. Die durchschnittlichen Marktanteilsindizes waren über die drei Jahre hinweg durchweg niedriger als für große Marken, auch wenn der durchschnittliche Rückgang war für kleine und große Marken im ersten Jahr ähnlich blieb.

Marken, die sich bereits in einer rückläufigen Entwicklung befanden, verzeichneten über die Jahre hinweg größere Rückgänge ohne Werbung als zuvor stabile oder wachsende Marken. Stabile und wachsende Marken erlebten dagegen in den ersten beiden Jahren sogar eine anfängliche Stabilität, sie hatten eine hohe Resilienz gegen den Werbestopp.

Anders dagegen verhielten sich Marken, die sich bereits in einem Abwärtstrend befanden. Sie verloren unabhängig von ihrer Größe im Durchschnitt jedes Jahr ohne Werbung den größten Marktanteil, wobei sich kleine und rückläufige Marken als die "größten Verlierer" erwiesen.

Große stabile und große wachsende Marken sind insgesamt am widerstandsfähigsten gegenüber Absatzeinbußen auf dem Markt, selbst nach drei Jahren der Werbeabstinenz. Kleine stabile und kleine wachsende Marken blieben im ersten Jahr ohne Werbung im Durchschnitt weitgehend stabil, gingen aber in den Jahren zwei und drei zurück.

Auch in Zukunft bleibt noch viel zu forschen

Ist mit dieser Studie nun die endgültige Antwort auf die Frage gefunden, was Werbung wirklich wert ist? Natürlich nicht. Auch wenn sie mit einigen Defiziten anderer Untersuchungen aufräumt, bleibt auch in dieser unberücksichtigt, welche andere Marketingaktivitäten für eine Marke gewirkt haben könnten. Beispielsweise wäre es möglich, dass für eine Marke lediglich Paid-Media-Advertising eingestellt wurde, andere Aktivitäten aber sogar erhöht wurden. Die Leistung dieser Marke wäre dann in der Studie überhöht dargestellt.

Außerdem wurden nur Marken untersucht, deren Werbung zwar eingestellt wurde, die aber trotzdem auf dem Markt geblieben sind. Berücksichtigt man die Möglichkeit, dass manche Marken nach einem Werbestopp (oder vielleicht sogar deswegen!) vom Markt genommen werden mussten, ergibt sich, dass wiederum die Leistung der nicht beworbenen Marken überhöht dargestellt wurde. Weil die größten Verlierer in der Studie gar nicht berücksichtigt wurden.

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