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Kundenbindung - jetzt geht´s erst richtig los

27.08.2001 - Manfred Dorfer über die neuen Marketing-Chancen - und Risiken - nach dem Fall des Rabattgesetzes

Von Manfred Dorfer
Mit dem Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung gibt Deutschland sein Inseldasein im globalen Wettbewerb auf. Die Abschaffung der 68 Jahre alten Relikte der deutschen Gesetzgebung macht nicht nur Schluss mit der Benachteiligung der deutschen Wirtschaft gegenüber ausländischen Unternehmen. Sie macht auch Schluss mit den Ausreden, warum man bislang weniger erfolgreich als die anderen gewesen sei. Mit dieser Liberalisierung rollt eine Kundenbindungs-Welle auf den deutschen Markt, die bislang nur ansatzweise zu erkennen ist. Bald werden Kundenkarten, Clubs, Communities, Customer-Loyalty- und E-CRM- sowie alle anderen CRM-Programme einen Boom erleben, der alles Bisherige in den Schatten stellt.

Wer als Marketer bisher in einem internationalen Network die deutschen Farben vertrat, konnte auf ein menschliches Gefühl seiner europäischen Kollegen bauen: Mitleid. Denn mit einem Rabattgesetz aus dem Jahr 1933, das alles untersagt, was Spaß macht, konnte man sich fühlen wie ein Wettkampfschwimmer, dem man Bleiplatten in die Badeklamotten eingenäht hat. Dieses weltweit wohl rigoroseste Wettbewerbsgesetz wurde ursprünglich verabschiedet, um den "unmündigen Kunden" vor unkontrollierter Konsumsucht und Maßlosigkeit zu schützen - eine Folge der Weltwirtschaftskrise.
Die Abschaffung der rechtlichen Beschränkung erfolgte unter dem Zwang der EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, mit der die europäischen Märkte harmonisiert werden sollen. Dadurch wird ein grenzüberschreitender Verkehr ohne Restriktionen möglich. Vorbei sind die grotesken Zeiten, da es zum Beispiel Lands´ End untersagt wurde, eine lebenslange Garantie auf ihre Waren zu geben, ohne dass dies zusätzlich etwas kosten sollte oder sogar werblich kommuniziert wurde.
Rabatte und Zugaben sind jetzt erlaubt. Doch ist mit dem Wegfall des Rabattgesetzes wirklich alles möglich? Die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) untersagen auch weiterhin Maßnahmen, die eine sittenwidrige oder irreführende Werbung darstellen und die zu einem übertriebenen Anlocken oder einem psychischen Kaufzwang führen. Außerdem muss auch in Zukunft die Preisangabenverordnung im Auge behalten werden, denn unzulässig sind Werbemaßnahmen, die zu einer Täuschung des Kunden über die Preisbemessung oder aber zu einer Preis-verschleierung führen.
Ebenso bleibt das Kartellrecht bestehen: Die Abmahnvereine werden sich - in ihrer Eigenschaft als Gralshüter der guten Sitten - auf den Konjunktur-Aufschwung freuen.
Der Wegfall von Rabattgesetz und Zugabeverordnung hat für die DM-Branche eine wesentliche Bedeutung: Customer- Relationship-Management wird in der Praxis bald mehr denn je gefordert sein. Doch Vorsicht, Rabatte mit der Gießkanne kosten nur Geld und sind endlich - bis hin zum Ruin.
Welche Gefahren diese neue Freiheit bringen kann, zeigt sich am deregulierten britischen Markt mit bis zu 75 Prozent verbilligten Angeboten. Studien aus dem Ausland belegen, dass Rabatte alleine keine Loyalität aufbauen und nur so lange wirken, wie sie nicht kopiert und unterboten werden.
Wird ganz Deutschland jetzt ein riesiger Basar? Sicher ist, dass der Kunde an Macht gewinnt. Besonders Kunden, die bestimmten, eingrenzbaren Zielgruppen angehören oder sich einfach zu einer Gruppe formieren, können künftig mit attraktiven Preisnachlässen oder Zugaben rechnen.
Die Palette der anvisierten Zielgruppen reicht vom Jugendlichen bis hin zum Rentner. Von der Schülerin zum Manager. Vom Arbeitslosen über den Smart Shopper bis hin zum Heavy User. Vom Audi-Fahrer zum Vielflieger.
In erster Linie werden natürlich Stammkunden angesprochen, um diese langfristig loyal an das Unternehmen zu binden. Dabei erhalten Kundenkarten bald eine noch größere Bedeutung als bisher, denn jetzt muss sich der Rabatt nicht mehr auf das ominöse Limit von drei Prozent des Kaufpreises beschränken. Ein weiterer Vorteil: Die Rabatte müssen nicht gleich ausbezahlt, vielmehr können sie angespart werden.
Kundenclubs werden ebenfalls den x-ten Frühling erleben. Warum nicht einem Clubmitglied mehr geben? Oder eine junge Mutter über ein Bonusprogramm so motivieren, dass sie "ihrer" Babywindel über die Babyphase hinweg treu bleibt? Oder eine junge Familie animieren, häufig mal die Küche kalt zu lassen, um sich außer Haus verwöhnen zu lassen? Natürlich mit einem Familienangebot in der System-Gastronomie. Zum Beispiel mit einem kostenlosen Aperitif und 15 Prozent Ermäßigung auf das Tagesmenü. Oder auf die Getränke. Oder, oder ...
Die Angebotsmöglichkeiten sind vielfältig: von der Kartengutschrift über den Warengutschein bis hin zur Barauszahlung. Vom Treueangebot zur logischen Zugabe. Zum Beispiel auf alle Produkte, die mit dem roten Punkt gekennzeichnet sind. Oder wie wär´s mit drei Filmen, während man nur zwei bezahlen muss? Oder einem CD-Gutschein für den Laden neben der Boutique, in der man sich gerade seine Jeans gekauft hat? Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
Von der "lebenslangen" Wäsche auf sein Auto über die ewige Garantie auf den Elektrorasierer bis hin zum Schlafzimmer, bei dem es als Zugabe auch gleich die Matratzen gibt. Oder das passende Shampoo zur Badelotion. Selbst mit Sonderrabatten auf bereits rabattierte Waren kann man künftig rechnen. Diese neue Freiheit ermöglicht beispielsweise auch, Anfahrtsnachlässe zu geben, um neue Kundenströme zu generieren. In Zukunft wird es zudem erlaubt sein - allerdings in den Grenzen des Paragraphen 1 UWG -, Produkte zu verschenken. Das ist oft kostengüns- tiger als diese zu entsorgen.
Das UWG ist immer im Auge zu behalten. So werden Gutscheine zwar erlaubt sein. Aber abgesehen vom logistischen Aufwand, der hinter dem Einsammeln von Zeitungsclips steckt, wird dieses so genannte Couponing nicht grenzenlos nutzbar sein. Der Verbraucher kann den Geldgutschein als "Wertpapier" ansehen, das man nicht verfallen lassen will. Erhält der Verbraucher etwa einen Gutschein über 25 Euro, der beim Kauf eines Produktes im Wert von 100 Euro oder mehr eingesetzt werden kann, so wird sich sicherlich die - von der Rechtsprechung zu klärende - Frage stellen, ob eine solche Gutscheinwerbung nicht eine unzulässige Verbraucherbeeinflussung darstellt.
Nach wie vor nicht erlaubt sind im Übrigen Schlechtwetter-Preisnachlässe oder Frühaufsteher-Rabatte. Hier würde der berühmte Paragraph 7 UWG greifen, der sich auf Sonderveranstaltungen bezieht. Auch ist es wesentlich, dass Rabattvorgaben für das gesamte Verkaufspersonal verbindlich sein müssen.
Für Anbieter und Verbraucher ergeben sich durch den Wegfall des Rabattgesetzes lukrative Chancen. Für Anbieter vor allem dann, wenn sie nicht nur in die horizontale Wertschöpfung gehen, sondern auch in die vertikale: Etwa wenn der Reiseveranstalter nicht nur irgendeine Reise vermittelt und bonifiziert, sondern eine Reise mit der eigenen Airline in das eigene Hotel-Ressort. Beim Fokus auf die horizontale Wertschöpfung verbünden sich zum Beispiel kleine Einzelhändler einer Stadt und entzünden gemeinsam ein "Loyalitäts-Feuerwerk". Die Verbraucher reagieren jedenfalls positiv auf die gesetzlichen Veränderungen: 80 Prozent aller Deutschen begrüßen die neue Situation, sie freuen sich auf höhere Rabatte (73 Prozent) und mehr Boni (55 Prozent).
Doch diese neuen Möglichkeiten erfordern auch mehr. Mehr Verhandlungsgeschick von den Verbrauchern und mehr Marketing-Brain als je zuvor von den Anbietern. Denn jedes Loyalitätsprogramm ist nur dann wirklich gut, wenn auch nur wirkliche Loyalität belohnt wird. Das heißt: Database-Marketing, Datamining bis hin zu neuronalen Netzen.
Ganz besonders sind neue Service-Ideen gefordert, immer nur stupider Preisnachlass ist zu wenig. Erst attraktive Services werden bei abnehmender Preistransparenz für den nötigen Schub sorgen. Sei es über besondere Garantieleistungen, über Frische, Qualität, Schnelligkeit oder einfach über Kundenorientierung und Empathie. Mit CRM wird´s jetzt ernst.
Das Anbieterrisiko liegt in erster Linie im darwinistischen Preiskampf, der vor allem für die Kleineren im Markt zum Vernichtungswettbewerb werden kann. Aber auch die Großen können dabei kräftig Federn lassen, wenn sich die ohnehin nicht satten Gewinnmargen im Handel weiter im freien Fall nach unten bewegen. Vor allem der kleine Einzelhandel fürchtet diese neue Situation. Dessen Verband bezeichnet daher die Abschaffung des Rabattgesetzes als eine unüberlegte und überhastete Entscheidung.
Zu den Gewinnern der neuen Situation gehören Berater und Werbeagenturen. Deren Auftragspolster wird zwar kräftig anwachsen, aber in Sicherheit wiegen sollten sie sich dennoch nicht. Denn immer wenn das Klima rauer wird, steigt auch die Unzufriedenheit der Entscheider auf Kundenseite. Und: Der Berater, dessen einzige Idee ein gewisser Rabatt-Prozentsatz bleibt, dem hilft auch die Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung nicht.
Manfred Dorfer ist Chef der Frankfurter Dorfer Relationship Communications.

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