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SIMD 99: Dialog à la française

03.12.1999 - Zum 18. Mal fand die Semaine Internationale du Marketing Direct in Paris statt.

Paris, Ende Januar. Auf jeder Metrostation wird für die große Hochzeitsmesse geworben. Ohne das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit auf sich zu ziehen, treffen sich hingegen die Dialogmarketer. Zum mittlerweile 18. Mal findet ihre Fachmesse mit Kongreß, die Semaine Internationale du Marketing Direct, statt.
Drei Tage lang konnten sich die Besucher im neuen Messezentrum CNIT, Centre de Communication et de Services, im postmodernen Büroviertel La Défense über die neuesten französischen Branchentrends informieren. Das Pendant zur DIMA stand diesmal unter dem Motto "Solutions & Services pour Conquérir et Fidéliser" - Lösungen und Dienstleistungen zur Kundengewinnung und -bindung. Ein großes Thema, mit dem Gérard Noël, Vize-Präsident der Vereinigung der Werbungtreibenden, Union des Annonceurs, und Ehrenpräsident der SIMD, den Kongreß eröffnete. Seine These: Für Unternehmen besteht die absolute Notwendigkeit, neue Marketingstrategien einzuführen und im ständigen Dialog mit dem Kunden zu stehen.
Jean-Pierre Fourcat, Vize-Präsident des Marktforschungsunternehmens Cofremca Sociovision, zeigte, wie man diese Vision in die Praxis umsetzt, Kundenwünsche aufspürt und diesen durch Innovationen ständig entspricht. Interessant ist eine Verbraucherstudie der französischen Post, die einen überraschenden Einblick in den französischen Markt und den Umgang des "Normalverbrauchers" mit Dialogmarketing bietet, das in Frankreich ein Drittel aller Werbemaßnahmen ausmacht: Danach lesen 90 Prozent der Franzosen die Werbung, die sie per Post erhalten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um adressierte Mailings oder Postwurfsendungen handelt. Frankreich - das Traumland für Dialogmarketer!? Sicherlich, denn vieles, was in Deutschland kontrovers diskutiert wird, ist dort erst gar kein Thema. Ob Datenschutz oder Adreßhandel - über Zahlen wird bereitwillig Auskunft gegeben.
Und die Branche boomt: Das zeigten nicht nur die gestiegenen Aussteller-, Besucher- und Kongreßteilnehmerzahlen. Ein Blick in den Katalog des Veranstalters genügte: Von 220 Ausstellern verfügt die große Mehrheit bereits über einen eigenen Internet-Auftritt. Der Rest gibt zumindest eine E-Mail-Adresse an. Trotz des Besucherzuwachses konnte man auf der SIMD das gleiche Phänomen wie auf der DIMA beobachten: Man fragte sich, wo die Besucher eigentlich geblieben waren. Die Messe lief morgens etwas schleppend an, was an dem für den französischen Tagesablauf mit 9 Uhr wohl zu früh angesetzten Beginn gelegen haben mag. Durchgehend gut besucht waren die vier Podiumsdiskussionen; sehr unterschiedlich sah die Beteiligung bei den Aussteller-Workshops aus. Dies lag sicherlich auch daran, daß es sich um Parallelveranstaltungen handelte, die teilweise nicht nur zeitgleich, sondern auch thematisch miteinander konkurrierten - so im Fall von Royal Mail und Deutscher Post.
Zu den ganztägigen Seminaren, die bereits um 8.30 Uhr begannen, erschienen die wenigsten Teilnehmer pünktlich und hielten bis 19 Uhr durch. Die Themen? Alte Bekannte: Database, E-Commerce, Kundenbindung, Business-to-Business etc. Doch während das Grundlagenseminar von Thierry Hermant, Direktmarketing-Consulter aus Paris, nahezu überfüllt war, mußten andere Referenten mit geringerem Zulauf auskommen. Ein Grund für das mangelnde Interesse mag schlicht an den gewohnt hohen Kongreßgebühren gelegen haben: Pro Kurs mußte der Teilnehmer 4.500 Francs (etwa 1.500 Mark) zahlen.
Die Aussteller waren hingegen fast durchgehend zufrieden, vom kleinsten Messestand der Dialogmarketingagentur Les Corsaires, bestehend aus einem Computer, bis zum größten Aussteller, der französischen Post. Überproportional vertreten: Die Werbemittelhersteller. Am ersten Veranstaltungstag verzeichneten sie qualitativ gute Kontakte. Großer Zuspruch dann am zweiten Messetag und am ab-schließenden Freitag der üblich zügige Ausklang: Bereits gegen Mittag leerte sich die Halle. Auch im Messerestaurant war um diese Zeit nichts Eßbares mehr aufzutreiben. Nur vereinzelt wurde Kritik laut über die Anonymität des Messezentrums, auch wenn die Veranstaltungsräume hier so klingende Namen tragen wie Pierre et Marie Curie, Donatello, Apollinaire oder Amphithéâtre Diderot: Das alte, zu klein gewordene Palais de Congrès hätte eben doch mehr Atmosphäre gehabt. Gute Idee des Veranstalters: Der Besucherausweis kann direkt am Messestand eingescannt werden. So kann jeder Aussteller über jeden Kontakt elektronisch Buch führen. Nach der Messe dienen die wertvollen Daten dann als Basis zur Erstellung von Kundenlisten, ein Einfall, der in Deutschland wohl auf heftige Kritik der Datenschützer stoßen würde.
Die SIMD ist aber nicht nur ausstellerfreundlicher als die DIMA, auch für das Publikum wird hier einiges getan. Gleich am Eingang konnte sich der Besucher beim Parcours à la carte seinen individuellen Ausstellungsplan zusammenstellen. Einfach Besucherkarte einlesen und am Bildschirm die gewünschten Aussteller oder Branchen auswählen, ausdrucken und fertig. Und diese Orientierungshilfe war dringend nötig, wenn man nicht kreuz und quer über das Ausstellungsgelände rennen, sondern einigermaßen systematisch vorgehen wollte. Die SIMD ist zwar bekanntlich nicht die größte europäische Kongreßmesse für Dialogmarketing und hat nur eine einzige große Messehalle, die nach Abschnitten unterteilt ist. Die Stände der Aussteller sind aber nicht thematisch geordnet, etwa Abschnitt B Lettershopper, Abschnitt C Telefonmarketing. Auf diese Idee - so wurde von verschiedener Seite versichert - könnten ja wohl nur Deutsche kommen.
Eine weitere publikumswirksame Maßnahme war die Einrichtung eines Call Center auf dem Messegelände, das man in voller Aktion erleben konnte. Mit dieser Nonstop-Demonstration leisteten die Veranstalter einen plakativen Beitrag zum Thema Kundenservice und One-to-One-Marketing. Auch bei der Wahl des besten Messestandes und der besten Website waren die Besucher gefragt.
Auf dem Forum Innovation wurden Neuheiten aller Art in Kurzvorträgen vorgestellt. Einige Aussteller, vor allem aus dem Softwarebereich, präsentierten auch am Stand direkt neue Produkte. Zudem war als Orientierungshilfe für die Besucher jeder Stand, der mit einer Neuerung aufwartete, mit dem dunkelblauen Label Innovation gekennzeichnet. Und die Agenturen? Für die meisten lohnte es sich nicht, viel Geld für einen aufwendigen Stand zu investieren. Schließlich kann man seine Kunden auch treffen, ohne einen eigenen Stand zu haben. Und neue Kunden würden sowieso nicht auf der SIMD gewonnen, so die mehrheitliche Meinung der Agenturchefs. Aus diesem Grund ließen sich viele Agenturen durch ihren Verband, den AACC (Association des Agences Conseil en Communication), vertreten, der auf seinem Stand Dialogmarketing-Kampagnen nach Zielen wie Abonnentengewinnung oder Kundenbindung geordnet dokumentierte.
Von Europa wurde viel geredet, an der Sprachbarriere aber vorbeidiskutiert. (Der Kongreß wurde jedenfalls durchgehend in französischer Sprache abgehalten.) So veranstaltete die Groupe D einen Workshop mit dem Titel "Wie Sie Ihr Dialogmarketing-Konzept für den europäischen Markt zuschneiden und rentabel machen", und die Gewerkschaft beriet öffentlich über europäische Direktiven zum Direktmarketing. Die internationalen Key-Speaker fehlten jedoch ebenso wie Aussteller aus dem Ausland. Und von den internationalen Unternehmen, die sich bereits in Frankreich etabliert haben, war kaum einer mit dem Verlauf der Messe zufrieden. Einzig IBM France und Dun & Bradstreet zogen positive Bilanz. Bei TNT hingegen stand sich das Messepersonal die Beine in den Bauch, aber dabeisein ist eben alles, denn die Konkurrenz - in diesem Fall die Royal Mail - schläft nicht. Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Wille, sich auf Europa einzulassen, in Frankreich eher fehlt. Fazit: In puncto Publikumsfreundlichkeit erhält die SIMD beste Noten. Auch für das hoch informative Forum Innovation gebührt dem Veranstalter Lob. Was allerdings den europäischen Markt betrifft, muß noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Also dann: Bon courage.


ABGEKÜRZT

AACC - Association des Agences Conseil en Communication, seit 1972 Sprachrohr der Werbe- und PR-Agenturen. Innerhalb des Verbandes hat sich aus den Arbeitsgruppen "Marketing Direct" und "Marketing Promotionnel et Motivation" im Januar 1998 die neue Abteilung "Marketing Communication" gebildet. Den Vorsitz über die 45 auf Dialogmarketing spezialisierten Agenturen, die 1.500 Mitarbeiter beschäftigen und im vergangenen Jahr ein Gross Income von über eine Milliarde Francs erwirtschafteten, führt Präsident Berto Taïeb, Gründer und Directeur Général der Agentur ECCLA.
ADETEM - Association Nationale du Marketing, Nationaler Marketingverband.
CMD - Cercle du Marketing Direct, dieser 1983 gegründeten Vereinigung gehören Werbungtreibende an sowie alle an Direktmarketing interessierten Unternehmen. Derzeit hat der Verband 400 Mitglieder.
EFM - Editions Françaises du Marketing, Vereinigung der französischen Marketingverlage.
SEVPCD - Syndicat des Entreprises de Vente Par Correspondance et à Distance, Gewerkschaft der Versandhändler, gegründet 1957. Kataloge, die von Mitgliedern verschickt werden, sind mit dem Gewerkschaftssiegel versehen, das für Qualitätskontrollen bürgt.
SMT - Syndicat national du Marketing Téléphonique, des Centres d´Appels et des Médias Electroniques, Gewerkschaft der Telefonmarketer, Call Center und elektronischen Medien, besteht seit 20 Jahren.
SNCD - Syndicat National de la Communication Directe, die älteste Berufsorganisation für Direktmarketer in Frankreich existiert seit 1933.
SNELPD - Syndicat National des Entreprises de Logistique de Publicité Directe, 1988 entstanden, Berufsgenossenschaft für Lettershopper.
SYPROCAF - SYndicat PROfessionnel du Cadeau d´Affaires, Organisation der Werbemittelhersteller und -versender.
UDA - Union des Annonceurs, seit 1916 vertritt die Vereinigung der Werbungtreibenden die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Agenturen und Medien, Vize-Präsident ist Gérard Noël.
UFMD - Union Française du Marketing Direct, französische Direktmarketing-Verband, gegründet 1978, hier haben sich Werbungtreibende, Dienstleister, Consulter etc. zusammengeschlossen. Die UFMD, die über ein umfangreiches Dokumentationszentrum verfügt, veranstaltet Seminare und publiziert Studien zum Thema Direktmarketing.

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