Branchenumfrage

Trends in Marketing und Commerce 2023 (2): Programmatic Advertising, DOOH, Connected TV, Audio und Video

29.12.2022 - Welche Trends in Marketing und Commerce die Branche 2023 besonders umtreiben, hat ONEtoONE in einer Umfrage unter ExpertInnen ermittelt und in einer fünfteiligen Online-Serie zusammengefasst. Heute Teil 2:

von Frauke Schobelt

Programmatic Advertising erobert immer mehr Kanäle und Gattungen - mit neuen Chancen und Herausforderungen für Advertiser, Publisher, Agenturen und Technologiedienstleister. Auf welche Segmente die Branche dabei besonders schaut:

Digital Out of Home (DOOH)

Das Jahr 2022 endet für die Mediagattung Digital Out of Home (DOOH) mit einer positiven Nachricht. Laut dem Nielsen Werbetrend   wächst das Segment der digitalen Außenwerbung entgegen dem Trend und erzielt im November im Vergleich zum Vorjahr ein deutliches Plus. Damit kann DDOH den zweiten Monat in Folge seinen Wachstumskurs fortsetzen.

Im November 2022 erwirtschaften die digitalen Außenwerbeträger einen Brutto-Umsatz von 112,86 Mio. Euro - das sind rund fünf Prozent (+4,98 Mio. Euro) mehr als im November 2021. Damit setzt DOOH den Aufschwung vom Oktober fort, der mit einem Brutto-Umsatz von 95,80 Mio. Euro 10 Prozent über dem Vorjahresmonat lag. Während die Werbe-Spendings im Gesamtmarkt seit Monaten kontinuierlich sinken (-10,1 Prozent im November), kann DOOH also auch in schwierigen Zeiten wachsen.

Diederick Ubels, Sage+Archer (Bild: Sage+Archer)
Diederick Ubels, Sage+Archer

Und das wird auch 2023 so bleiben, wie Prognosen zeigen. 93 Prozent der Medienschaffenden erhöhen in den nächsten 18 Monaten ihre Investitionen in programmatisches DOOH oder behalten sie bei. Diese stammen dabei zunehmend aus neuen Budgets oder werden gar von anderen Kanälen verlagert. Dies ist das Ergebnis des 'State of the Nation'-Reports, den die Handelsplattform VIOOH   jährlich durchführt. Die steigende Nachfrage ist demnach darauf zurückzuführen, dass ein Drittel (32 Prozent) der Einkäufer weiterhin das präzise Targeting schätzt, sowie die Möglichkeit, DOOH leicht mit anderen programmatischen Kanälen abzustimmen.

"DOOH ist ein One-to-Many Medium, das in der Postcorona-Zeit einen regelrechten Aufschwung erlebt hat", beobachtet auch Diederick Ubels, CEO und Co-Founder Sage+Archer   . Die Möglichkeit, dynamische, responsive Creatives je nach Ort, Zeit, Wetter oder Kundenbewegungen auszuspielen und damit eine hohe Reichweite zu erzielen, mache das Medium zu einem festen Bestandteil des Marketing-Mix. Er prophezeit, dass sich DOOH in den kommenden Jahren in die Innenräume von Arztpraxen, Einkaufszentren, Fitnesscentern, Flughäfen und Universitäten ausweiten und verstärkt in Supermärkte einziehen wird. "Der Grund dafür sind die niedrigen Energiekosten, die weit unter denen von Print, Audio und TV liegen. Publisher wie Ströer und WallDecaux haben bereits den weiteren Ausbau von Screens im öffentlichen Raum und Indoor angekündigt, der 2023 und darüber hinaus realisiert wird."

Maximilian Weigel, Yahoo (Bild: Yahoo)
Maximilian Weigel, Yahoo

Für Maximilian Weigel, Managing Director Germany von Yahoo   steht deshalb fest, dass 2023 und darüber hinaus Connected TV und Digital out of Home "immer mehr zum essenziellen Bestandteil eines kanalübergreifenden Media-Mixes" werden. "Daneben wächst aber auch die programmatische Verfügbarkeit klassischer Medien weiter, wodurch allem voran digitale Print- und Kinowerbung langfristig interessant für umfassende Omnichannel-Kampagnen werden." Das bedeute allerdings, dass eine zentrale Herausforderung weiterhin darin bestehen wird, die bisherigen Silos durch einheitliche und effektive Targeting- sowie Messmethoden über sämtliche Kanäle hinweg aufzubrechen.

Frank Möbius, Goldbach (Bild: Goldbach Media)
Frank Möbius, Goldbach

Im kommenden Jahr werde in den Mediaplänen Effizienz das beherrschende Thema sein, sagt Frank Möbius, Managing Director bei Goldbach Germany   voraus. Werbung werde immer zielgruppengenauer und noch präziser messbar. Diese Entwicklung betreffe insbesondere zwei bewährte 'Klassiker' der Markenkommunikation: Die Außenwerbung und TV-Werbung. "Mit Digital-out-of-Home und Connected TV (CTV) haben sich daraus zwei neue Mediengattungen entwickelt, die Werbetreibenden durch die Digitalisierung neue Möglichkeiten bieten, ohne die Vorteile der klassischen Medien zu verlieren", so Möbius. Digitale Screens sind inzwischen an fast jedem Touchpoint verfügbar, wie z.B. Screens in Malls, im LEH oder auch an E-Schnellladesäulen. "Hier können ganz neue Zielgruppen erreicht werden."

Connected TV

Gleiches gelte für CTV, also Werbung über internetfähige Fernseher, direkt am Smart TV, über Boxen oder Sticks. Das Format ergänzt gelernte Empfangswege wie Satellit oder Kabelanschluss. Mit CTV lassen sich Zielgruppen erreichen, die überwiegend gestreamte Inhalte konsumieren und im klassischen linearen TV nicht mehr zu Hause sind. Dazu Frank Möbius: "Für beide Mediengattungen gilt, dass die Branche gemeinsam Standards der Messbarkeit entwickeln muss. Und dies bietet eine wertvolle Chance der Zusammenarbeit in 2023, um den Markt gemeinsam noch besser zu machen."

Neben DOOH zählt denn auch Connected TV zu den Gattungen, die weiter wachsen. Das geht aus einer Auswertung des Dienstleisters Crossvertise   hervor, die hierfür mehr als 2.600 Werbebuchungen über ihre Online-Buchungsplattform auswertete. Demnach stieg der Anteil von CTV-Buchungen (Connected TV) im TV-Segment um neun Prozentpunkte - 2022 beinhaltet jede siebte TV-Buchung CTV. Damit ist das Medium für die KundInnen der 'Shootingstar' des Jahres. Das Medium ermöglicht eine programmatische Ausspielung von digitalen Inhalten auf TV-Geräten (Big Screen) und ist aufgrund der moderaten Einstiegbudgets für KMUs besonders spannend. Der Anteil von CTV am TV-Buchungsvolumen erhöhte sich von 0,6 auf 5,8 Prozent. Diese Prozente greift das junge Medium von klassischer TV-Werbung ab: Hier sank der Anteil im Vorjahresvergleich von 81 auf 73 Prozent.

Christian Russ, Samsung Ads (Bild: Samsung Ad)
Christian Russ, Samsung Ads

Von dieser Entwicklung profitieren will auch Smart-TV-Hersteller Samsung   , der selber Werbeplätze vermarktet. "Smart-TVs und CTVs (Connected TVs) haben unsere Fernsehgewohnheiten grundlegend verändert. Streaming- und abo-finanzierte On-Demand-Kanäle bestimmen seit rund zehn Jahren den Fernsehalltag und halten sich mit linearem TV - zumindest innerhalb des Samsung-Universums - die Waage", erklärt Christian Russ, Head of Sales DACH und Business Development UK, Samsung Ads   .

Die Branche stehe erneut vor einem Wechsel: "Steigende Lebenshaltungskosten haben Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten der ZuschauerInnen. Immer mehr sind bereit, im Austausch für hochwertige kostenlose Inhalte Werbeeinspielungen in Kauf zu nehmen." Bereits in den vergangenen 12 Monaten habe Samsung Ads einen Zuwachs von neun Prozent bei FAST-Kanälen (Free-Ad-Supported-Streaming-TV) und 19 Prozent bei der monatlichen Nutzungsdauer festgestellt. "Der Vorteil von FAST-Kanälen sowohl für NutzerInnen als auch für Werbetreibende: Sie sind sowohl linear als auch on-demand verfügbar. Wir gehen stark davon aus, dass dieser Trend weiterhin anhält."

Maren Seitz, Analytic Partners (Bild: Analytic Partners)
Maren Seitz, Analytic Partners

Dem stimmt Maren Seitz, Head of DACH bei Analytic Partners   , zu. "Netflix hat es tatsächlich getan und führt werbeunterstütze Abos ein. Einerseits eine große Chance, da Streaming Ads und Connected-TV (CTV) Anzeigen einen 30 Prozent höheren ROI aufweisen als andere Marketingkanäle. Das liegt zum einen an der noch jungen und recht ungenutzten Werbeform, doch auch an den großen Vorteilen des Bewegtbilds: Stärker als andere Kanäle beeinflusst es unsere Kaufentscheidungen langfristig. Andererseits ist die neue Werbemöglichkeit bislang sehr kostspielig. Wer es sich leisten kann, sollte möglichst zeitnah auf den neuen Trend aufspringen und investieren, um sich die Vorteile des Kanals zunutze zu machen."

Online-Video

Stephanie Richter, Adspert (Bild:  Adspert)
Stephanie Richter, Adspert

Bewegtbild beeinflusst Kaufentscheidungen und bleibt daher auch 2023 eine der beliebtesten Werbeformen im Online-Marketing. "Aus meiner Sicht wird das Medium 'Video' im Marketing-Mix 2023 weiter an Bedeutung gewinnen", sagt Stephanie Richter, Geschäftsführerin von Adspert   . Sie macht dies an zwei Indizien fest:

  1. Video-Content und Video-Marketing wirke sich zum Beispiel bei Amazon in Form von Video-Anzeigen sehr positiv auf die Verkaufszahlen aus, weil es sich dabei nicht nur um Produktwerbung handelt. Das Messaging wirkt authentischer. "Es erstreckt sich auf Marke UND Produkt und erzielt durch das Medium Video eine viel stärkere Werbewirkung. Aus Verbrauchersicht erwächst daraus schließlich auch eine einzigartige Customer Experience", so Richter.
  2. Die Entwicklung von TikTok. "Das soziale Netzwerk verbucht nun schon seit geraumer Zeit beinahe irrsinnige Wachstumsraten und stellt aktuell auch aus Commerce-Sicht die stärkste Plattform dar - weil sie konsequent auf das Medium Video setzt." Aber: Um erfolgreich zu sein, komme es dabei auf eine gute visuelle und inhaltliche Qualität des Video-Contents an.

Marco Hochstrasser, Nexoya (Bild: Nexoya)
Marco Hochstrasser, Nexoya

Marco Hochstrasser, Mitgründer und CEO vom Marketing-Analytics-Startup Nexoya   ist ebenfalls überzeugt davon, dass 2023 die Nutzer und Nutzerinnen noch mehr Videoinhalte über alle digitalen Kanäle hinweg konsumieren werden. "Plattformen wie TikTok, BeReal, Youtube-Stories und Instagram-Stories verbreiten immer mehr kurze Videoinhalte und verstärken diesen Trend weiter." Die Aufmerksamkeitsspanne der NutzerInnen nehme weiter ab. "Werbetreibende Unternehmen müssen ihre Werbestrategien anpassen, um den Anforderungen dieser neuen Ära des digitalen Marketings gerecht zu werden. Unternehmen sind bestrebt, ihren Zielgruppen relevante und zielgerichtete Werbung zu bieten, sodass wir auch eine Zunahme der kontextbasierten Werbung sehen werden."

Kathleen Jaedtke, HubSpot (Bild: HubSpot)
Kathleen Jaedtke, HubSpot

Kathleen Jaedtke, Head of Marketing DACH beim CRM-Plattformanbieter HubSpot   , glaubt ebenfalls, dass sich der "Siegeszug von kurzem Video-Content" für Kanäle wie YouTube, Instagram oder TikTok auch 2023 weiter durchsetzen wird. "56 Prozent der deutschen Marketingverantwortlichen wollen ihr Budget dafür 2023 erhöhen, wie unsere Marketingtrends-Studie zeigt. Und dabei ist es egal, ob sie primär B2B- oder B2C-Zielgruppen ansprechen." Ein Drittel der befragten Marketingverantwortlichen werde dieses Format im nächsten Jahr sogar erstmalig im Marketing-Mix anwenden. "Um besonders erfolgreich damit zu sein, gilt es, die Brand nahbar zu machen und die Markenwerte auch in Kurzvideos zu transportieren."

Online-Audio

Marianne Bullwinkel, RMS (Bild: RMS)
Marianne Bullwinkel, RMS

Ein Großteil der Deutschen nutzt regelmäßig ein Audioangebot, sei es Radio, Podcast oder Voice. "Neue Kanäle wie DAB+, Online Audio oder Smart Cars sorgen für neue spannende User-Touchpoints", sagt Marianne Bullwinkel, CEO/Geschäftsführerin, RMS   . "Um sie richtig einzusetzen, brauchen Werbetreibende ein holistisches Audiokonzept." Täglich werden 60 Millionen HörerInnen in Deutschland erreicht, zunehmend laut Bullwinkel auch dort, "wo man zunächst gar nicht an Audio-Möglichkeiten denkt, etwa in Mobile Games".

Annalena Schmitz, OSK (Bild: OSK)
Annalena Schmitz, OSK

Auf einen weiteren Trend weist Annalena Schmitz, Consultant Digital Communications und Podcast-Expertin bei der Kölner Agentur OSK   , hin: Podcasts werden 2023 näher an Video-Inhalte rücken. "Viele PodcasterInnen lassen während ihrer Aufnahmen Kameras mitlaufen, um die Inhalte auch auf YouTube, TikTok und Co zur Verfügung zu stellen, z.B. als 'Behind the scenes'-Content. Das liefert Fans Material und hilft dem jeweiligen Podcast, besser gefunden zu werden." Für Schmitz eine sinnvolle Kombination: "YouTube beispielsweise gehört für viele NutzerInnen nicht nur zu den wichtigsten Suchmaschinen, sondern ist auch einer der beliebtesten Dienste, um Podcasts zu hören." Sie rät Podcast-BetreiberInnen daher, sich ausgiebig mit dem Thema Video zu befassen und bei der Erstellung ihres Contents beide Formate zu beachten, "denn es wird künftig nicht nur auf den sozialen Netzwerken, sondern auch auf den Podcast-Plattformen selbst relevanter". Auch auf Spotify können CreatorInnen bereits Video-Podcasts veröffentlichen.

Online-Audio

Luisa Abraham, Zebra-audio.net (Bild: Zebra-audio.net)
Luisa Abraham, Zebra-audio.net

Die Gattung Online-Audio profitiert 2023 noch stärker von neuen Werbemöglichkeiten. "Der Aufstieg von Programmatic Ads im Podcast ist in 2023 kaum mehr aufzuhalten und wird dafür sorgen, dass auch jene Marketer das Medium für sich entdecken, die bisher nur auf das klassische Radio als Audiowerbemittel setzten", erklärt Luisa Abraham, Managing Director von Zebra-audio.net   . "Gleichzeitig eröffnen sich neue Skalierungsmöglichkeiten für die Vermarktung." Werbungtreibende sollten dabei aber beachten, die entsprechenden Werbemittel zu kreieren und den Markt nicht zu überschwemmen. "Auf Contentseite erwarten wir erstmalig den Rückgang von Produktionen und freuen uns zeitgleich auf die Erweiterung der Inhalte hin zu einem visuell und live erlebbaren Medium."

Audio und Video halten Einzug in den Kundensupport

Und noch eine Entwicklung könnte Audio im nächsten Jahr beflügeln. Laut dem Software-Anbieter Freshworks     werden 2023 erste Versuche mit Audio- und Videoanwendungen im Support getestet. "Das reicht von Aufforderung an KundInnen, kurze Videos von ihrem Telefon aufzunehmen, bis hin zur Verwendung von Audioaufnahmen, um Probleme zu schildern (im Gegensatz zum Abtippen einer langen Erklärung), die dann transkribiert und an das Support-Team übermittelt werden", sagt Colin Crowley, CX Advisor bei Freshworks. Denn Tippen gilt als zeitraubend, vor allem für die jüngeren Generationen. Technikaffine KundInnen, insbesondere der Generation Z, empfinden das Eintippen einer Textnachricht an die Supportabteilung eines Unternehmens fast schon als lästig, so seine Erfahrung.

Für junge TikTok-NutzerInnen seien Video und Audio ohnehin die bevorzugten Kommunikationsoptionen. Marken sollten diese Vorlieben und Erwartungen erkennen und dies in der Markeninteraktion ermöglichen. "Obwohl dieser Trend noch in den Kinderschuhen steckt, nimmt er langsam Fahrt auf und ist bald mehr als nur ein Hinweis auf den Einfluss dieser Generation", so Crowley. "Für bestimmte Branchen könne beispielsweise die Möglichkeit, dem KundInnensupport ein defektes Bauteil visuell darzustellen, äußerst nützlich, viel bequemer und natürlich schneller sein." Durch die nachträgliche Aufzeichnung von Audio- und Videodaten erhielten die Unternehmen umfassendere Einblicke in die Customer Experience. "Diese sollten sie nutzen, um den Support noch besser zu personalisieren."

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