Dialog des Monats

Tchibos komplizierter Kommunikationsversuch

21.03.2024 - Ein B2B-Mailing, das sich als B2C-Mailing tarnt. Ein Mobildialog, der auf den Desktop ausgelegt ist. Eine personalisierte Kommunikation ohne persönlichen Bezug. Eine Marke, die eigentlich eine andere ist. Der Quadshot von Tchibo verwirrt mich.

von Joachim Graf

In unserem Briefkasten liegt ein aufwändiges A5-Mailing, hochwertig gemacht, das sich mit meinem Lieblingskaffee beschäftigt. Oder genauer: Bei dem ich mich mit meinem Lieblingskaffee beschäftigen soll. Nur: WARUM?

Der erste Eindruck: Ein roter Briefumschlag, Vorder- und Rückseite bedruckt mit Tier- und Kaffee-Motiven "Mein Lieblingskaffee" steht drauf - das macht neugierig.

Die Personalisierung: Da hat sich jemand Mühe gemacht - oder zumindest den Mühenanschein erweckt. Das Briefetikett sieht handgeschrieben aus - entpuppt sich aber beim zweiten Hinsehen als Handschrift-Font. Eine gute Idee.

Die Gestaltung: Wer die vorgedruckten Poesie-Alben zum Ausfüllen kennt, muss instinktiv daran denken: "Meine Ideen beim Kaffee", "So sehr liebe ich Kaffee", "Lieblingsgenussort": Den mit Bildern liebevoll und hochwertig gestalteten Vierseiter soll ich ausfüllen. Nur: Das ausgefüllte Poesiealbum habe ich an gute und nicht so gute FreundInnen zurückgegeben. Wer, liebe Tchibo   , nimmt mein ausgefülltes Kaffee-Poesiealbum an?

Die Marke: Auf der vierten Seite des Flyers findet sich eine Eduscho-Verkaufsanzeige und ein Tchibo-Logo. Preisfrage für das Logo-Verwirrspiel: Wer weiß, dass Eduscho eine Tchibo-Marke ist? Und wer versteht, warum hier zwei Marken kommuniziert werden?

Die Absenderin: Das "Was-soll-das-eigentlich"-Ratespiel kommt seiner Lösung näher, wenn man sich mit dem Kleingedruckten beschäftigt. Dort steht offensichtlich die Absenderangabe. Wer gute Augen hat, der kann "Karina Schneider, Tchibo Corporate-Communication" auch in hellrot auf weiß auf dem Etikett entziffern.

Der CTA: Wer jetzt wahlweise die 55 Zeichen lange URL abtippt oder den (offenbar als Call-to-Action fungierenden) QR-Code mit seinem Smartphone abfotografiert, der landet auf einem Webdrive, in dem sieben Grafikdateien gespeichert sind mit so Namen wie "Packshot-Duo_Eduscho_Lieblings_FS.jpg".

Die Auflösung: Es handelt sich offensichtlich um eine Presseaussendung des Kaffeeproduzenten - also um eine B2B-Kommunikation, die im Stil einer B2C-Direktkampagne eines Onlineshops gehalten ist. Mit Preisangabe und Productshot, aber halt ohne wirkliche Handlungsaufforderung. Nun ja, Tchibo ist ja auch ein großer Onlineshop, in Krisenzeiten recycelt man eben, was man kann.

So hat das Mailing bei mir funktioniert: Wenn unsere Redaktion Zielgruppe für Produktneuvorstellungen im Lebensmittelhandel wäre und wenn wir unsere Produktmeldungen per Smartphone produzieren würden, statt am Desktop, dann wäre ein Mobilzugang zu PR-Material sinnvoll. Sofern man die korrespondierende Pressemitteilung noch gleich bei den PR-Bildern dazu hinterlegt hätte (die wir jetzt eben googeln mussten).

Aber immerhin, Corporate-Communication hat seinen Job mit diesem Mailing erfolgreich gemacht: Immerhin ist dieser Artikel dabei herausgekommen. Und gelernt haben wir alle auch noch einiges dabei. Dass man zum Beispiel auch in der B2B-Kommunikation auf Direktmarketing-Expertise zurückgreifen, und sich nicht auf Designagenturen verlassen sollte.
DialogexpertInnen, die einem dann erklären, dass man seiner Zielgruppe genau sagen sollte, was diese tun soll. Dass man erklären muss, warum die Zielperson die Aktion durchführen soll und welchen Nutzen sie davon hat. Dass man dann diese Aktion so einfach wie möglich machen sollte. Dass man den Aktionspfad auf (Medien-)Brüche prüfen muss. Und natürlich, dass Dialogmarketing 1:1-Kommunikation ist: Mit klarem Absender und personalisierter Ansprache. Darauf einen Espresso.

www.tchibo.com/news/in-die-tasse-kommt-nur-lieblingskaffee-von-eduscho#press  

In unserer Rubrik "Dialog des Monats" stellen Marketingexperten Dialogmaßnahmen vor, die ihnen aufgefallen ist. Diese Rezension stammt von ONEtoONE-Herausgeber und Kaffeetrinker Joachim Graf.

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Vorträge zum Thema:

  • Bild: Michael Poganiatz
    Joachim Graf
    (ibusiness.de)

    Die Zukunft der KI. Die Zukunft der Daten. (Der Weg zum empathischen Zero-Party-Data-Marketing)

    Wohin entwickelt sich die KI in den kommenden zehn Jahren? Und was wird dann aus dem datengestützten Marketing, wenn First-Party-Data erheben für eine erfolgreiche Customer Experience immer schwieriger wird? Zukunftsforscher Joachim Graf stellt aktuelle Studien vor, die über die zunehmend prekäre Lage an der Datenfront zeigen. Er zeigt, wie diese Entwicklung sowohl KI- als auch Personalisierungsansätze gefährdet und warum die KI dieses Problem trotz technischer Fortschritte auf absehbare Zeit nicht lösen kann. Er stellt Strategien vor für den Weg zum empathischen Zero-Party-Data-Marketing: Die Methode, um Personalisierung und KI nach wie vor einzusetzen trotz wachsender Datenzurückhaltung und immer schlechter werdenden Datenqualität.

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