Crosschannel-Praxis: So wird Print digital ausgesteuert

29.03.2021 - Programmatic Printing erweitert digitales Marketing um den Printkanal, viele Marketing-Automation-Lösungen sind dafür schon vorbereitet. Doch nicht immer ist das die beste Lösung.

von Dominik Grollmann

Im Buhlen um die Kunden steht das Trendthema Personalisierung bei Online-Kampagnen wie Mailings oder Newsletter und den dazugehörigen Onlineshops hoch im Kurs. Dabei kann die Personalisierung von Onlineshops verschiedene Bereiche abdecken und einen unterschiedlichen Umfang und Komplexitätsgrad aufweisen - von der Anpassung einfacher Optionen und ausgewählter Inhalte bis hin zu einer tiefgreifenden Personalisierung, die prädiktive Analysen und sogar Algorithmen der künstlichen Intelligenz oder des Machine Learnings einschließt.

Personalsierung wird auch heute noch gelegentlich als ein rein technisches Thema verstanden. Nach dem Motto: Wir installieren eine - wie auch immer geartete - Personalisierungssoftware, Recommendation Engine oder Marketing Automation Suite (MAS), die dann dafür sorgt, dass der Webshop, die Werbung, Mails und Printprodukte genau auf die Interessen des Nutzers abgestimmt sind.

Aber wie so oft, ist es so einfach nicht. Hinter einer guten Personalisierung stecken mindestens zwei Ebenen, die getrennt voneinander betrachtet werden müssen, auch wenn sie eng miteinander zusammenhängen:

  • die Methode
  • das Vorgehen
  • die Technik
Während im klassischen Onlinemarketing durchaus Anbieter wie Hubspot   damit groß geworden sind, eine mehr oder weniger geschlossene Software für eine dedizierte Marketing-Methode (in diesem Fall Inbound-Marketing) zu entwickeln, gibt es bis heute keine umfassende Software, die ein bestimmtes Personalisierungsverfahren in den Mittelpunkt stellt, mit Werkzeugen zur Marketing-Automation paart und bis zur Printausleitung die Abwicklung der Kampagne übernimmt.

Methodische Unterschiede

Wenn heutzutage über Personalisierung gesprochen wird, geht es um mehr, als den Namen des Kunden in der Marketingkommunikation zu verwenden oder die zuletzt betrachteten Produkte anzuzeigen. Website und Werbemittel sollten genau den Bedürfnissen des Verbrauchers entsprechen, um ihre Aufmerksamkeit zu erringen. Ein Verkäufer von Fahrrädern sollte beispielsweise wissen, ob sich der Kunde eher für Rennräder, Gravel- oder Moutainbikes, City- oder Trekkingräder interessiert. Ob er eher sportlich oder komfortabel orientiert ist. Ob er Ausflüge mit Kindern unternimmt oder täglich ins Büro pendelt. Ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt.

Aber nicht nur Vorlieben und soziodemografische Daten sind von Interesse, auch die momentane Phase des potentiellen Kunden in seiner Customer Journey ist bedeutend.

Der Königsweg für eine umfassende Personalisierungsstrategie besteht daher darin, zunächst zu identifizieren, welche Informationen benötigt werden, um die Kunden optimal anzusprechen. Ist das nicht möglich, weil - wie so oft - nicht auf der grünen Wiese geplant werden kann, muss die Überlegung im Vordergrund stehen, welche Daten vorliegen und wie sie sich nutzen lassen. Außerdem lassen sich Maßnahmen planen, um mit einer Nachqualifikation die Kundendaten gezielt anzureichern.

1. Die Methode - mehr als nur Produktempfehlung

Schon in diesem Schritt sollte bedacht werden, dass eine nachhaltige Personalisierung über die simple Installation einer Recommendation-Engine hinausgehen wird, die lediglich relevantere Produktempfehlungen oder Werbebanner und Visuals anzeigt. Je nach individueller Kaufphase sind eher Inspiration und Beratung gefragt.

  • Der eine Kunde befindet sich noch weit vor der eigentlichen Kaufentscheidung, sucht eher Informationen über neue Trends und ist für Ideen offen.
  • Ein anderer ist in der Entscheidung bereits weiter fortgeschritten und interessiert sich für konkrete technische Details, weil er mehrere Produkte vergleicht.
  • Wieder ein anderer befindet sich vielleicht schon kurz vor dem Kaufabschluss, hat sich bereits umfassend informiert und spricht nun auf ein Rabattangebot als letzten Trigger an.

Negative Effekte vermeiden
Personalisierung muss auf den Besucher abgestimmt sein, aber nicht übertrieben wirken, sonst wird sie als unheimlich empfunden. Deswegen sollte Personalisierung intuitiv und nachvollziehbar sein. Am besten bietet sie einen Mehrwert und verbessert die Qualität des Einkaufs. Im Idealfall ist sich der Kunde der Personalisierung bewusst und empfindet sie als Vorteil.

Eine sichere Lösung besteht darin, den Verbraucher selbst entscheiden zu lassen, welche Informationen er sehen will. Automatische Personalisierungsmechanismen (die nur eine Wahrscheinlichkeit errechnen) werden so durch bewusste, vom Kunden selbst getroffene Entscheidungen ersetzt oder ergänzt.
Aus diesem Grund lohnt es sich, eine umfangreiche Customer-Journey zu planen. Anhand verschiedener Trigger (zum Beispiel Besuchsfrequenz, gelesene Informationen, geöffnete Mails etc.) lässt sich entscheiden, an welcher Stelle in der Customer-Journey sich der Kunde befindet und welche Art von Information ihn bei seiner Kaufentscheidung unterstützen wird.

Entsprechend muss auch die Erfolgsmessung in der Marketing-Software angepasst werden. Bei einer komplexen Customer Journey macht es keinen Sinn, schon das erste Werbemittel auf den Kaufabschluss zu optimieren. Stattdessen sollten Zwischenschritte - etwa das Betrachten eines Videos, das Bestellen eines Prospekts, die Buchung einer Probefahrt - als Conversion-Ziel definiert werden.

In mancher Marketingsoftware lässt sich sogar der Wert des Zwischenziels individuell für einen bestimmten Kunden berechnen, so dass mittels Attribution ein Budget dafür festgelegt werden kann und die Software selbst entscheidet, ob sich eine bestimmte Marketingmaßnahme für diesen Kunden in dieser Kaufphase betriebswirtschaftlich überhaupt lohnt.

2. Das Vorgehen - Interaktion einfordern

Personalisierung kann nur dann effektiv sein, wenn die Präferenzen und Bedürfnisse des Kunden richtig erkannt werden. Im Allgemeinen lassen sie sich auf zwei Arten ermitteln:

  • indem die Online-Aktivitäten des Kunden analysiert werden (implizite Personalisierung) oder
  • indem die Verbraucher direkt gefragt werden, woran sie interessiert sind (explizite Personalisierung).
Die implizite Personalisierung basiert auf Daten, die die Website-Besucher unabsichtlich und unbewusst zur Verfügung stellen. Diese Art der Personalisierung beinhaltet die Beobachtung und Verfolgung von Benutzeraktivitäten und -verhalten.

Im Unterschied dazu basiert die explizite Personalisierung auf Daten und Informationen, die vom Kunden freiwillig und absichtlich zur Verfügung gestellt werden. Durch die explizite Befragung und Ermutigung zum Informationsaustausch können Marken eine Vielzahl von Daten erhalten, darunter auch solche, die sie durch Verhaltensanalysen nur schätzen konnten.

Explizite Personalisierung ist in der Regel der impliziten vorzuziehen, allerdings nicht immer ganz leicht zu erreichen. Wie Sie vorgehen können, um Kunden zum Informationsaustausch zu bewegen, können Sie in der iBusiness-Analyse "Smarte Personalisierung - So steigern Shops ihren Umsatz   " und "Personalisierung - Wie sich Kunden richtig identifizieren lassen   " nachlesen.

3. Die Technik - schlanker Start vs. umfangreiche Software

Glücklicherweise müssen nicht alle geplanten Funktionen und Änderungen auf einmal implementiert werden. Bei einem systematischen Vorgehen kann auch schrittweise gestartet werden. Der Umfang der Personalisierung wird ohnehin von Unternehmen zu Unternehmen variieren. Einflussfaktoren sind beispielsweise:

  • Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden im Shop
  • Umfang der Kundeninformationen und -daten
  • Aktivitäten der Wettbewerber
  • interne Ressourcen und Prozesse sowie verfügbares Budget
  • rechtliche Einschränkungen
Erfreulicherweise funktionieren Personalisierung und Customer-Journey-Management aber grundsätzlich kanalübergreifend. Egal, welchen Umfang die Personalisierung später annehmen soll - der Nukleus ist stets gleich. Für die Personalisierungsmechanik ist es daher zunächst egal, ob am Ende eine Website, ein digitales Werbemittel oder ein analoges Printmailing mit den Informationen gesteuert wird.

Marketing-Tools mit Print-Schnittstelle
Ausgewählte Marketing-Software, die bereits für eine Print-Ausleitung vorbereitet ist:
Deswegen ist es auch nicht unbedingt nötig, mit einer umfassenden Software-Lösung zu starten. Insbesondere gilt das, wenn die Customer Journey im spezifischen Geschäftsmodell extrem kurz ist. Der Kunde zieht um? Dann will der örtliche Möbel- oder Baumarkt auf sich aufmerksam machen. Selfmailer mit personalisiertem Motiv, individueller Wegbeschreibung und Rabattcode raus, fertig!

Solche einfachen Mechanismen können extrem effizient sein und ermöglichen einen pragmatischen Einstieg in die Print-Individualisierung - ohne komplexen Software-Unterbau. "Es hat sich als zielführend erwiesen, dass zunächst die abzubildenden Usecases für Programmatic Printing klar definiert und umrissen werden", hat Johannes van de Loo , General Manager des auf Programmatic Printing spezialisierten Beratungsunternehmens SmartCom     , festgestellt. "Darauf aufbauend erfolgt eine Erfassung der vorhandenen Datenlage, sowohl mit Blick auf die Kunden- als auch auf die Artikel- und Produktdaten."

Van de Loo ist Prozess-Spezialist und hat bereits für zahlreiche Kunden Programmatic-Print als zusätzlichen Kanal in das bestehende Omnichannel-Marketing implementiert. Dabei hat er gelernt, dass das Vorhandensein einer Marketing Automation Software (MAS) viel weniger erfolgskritisch ist, als oft angenommen wird. "Viele Unternehmen haben sich unnötigerweise schon in der Einführung komplexer und teurer MAS-Tools verloren, statt zunächst die Hebelwirkung der Individualisierung in der anzusprechenden Zielgruppe über Print zu testen", sagt er.

Basierend auf der vorhandenen Datenlage lassen sich in der Regel auch unabhängig von einer MAS individuelle Prozesswerkzeuge und Tools bereitstellen, um das gewünschte Individualisierungsprojekt schlank zu starten. Da in solch einem Szenario von Beginn an die Automatisierung der Datenströme bedacht wird, ergibt sich eine hohe Ausleitungseffizienz über den Print-Kanal, wie sie viele MAS-Tools von der Stange nicht bieten können.

Print - angeflanscht wie ein digitaler Kanal

Ihre Stärke spielen MAS-Anwendungen dagegen aus, wenn Print flexibel als universeller Kanal in einem Multichannel-Umfeld genutzt werden soll. Mit einer entsprechenden Software kann Print in jeder beliebigen Customer-Journey oder Kampagne integriert werden. Die Software berechnet dann im Idealfall den Kundenwert (CLV), kennt die Kaufzyklen und weiß, ob der Kunde in der Frühjahrskampagne eher mit Gartenmöbeln angesprochen werden will oder ob es sich um einen ambitionierten Hobbyschreiner handelt. Gehört der Kunde zu einer Gruppe, bei der ein positiver Return-on-Ad-Spend (RoA) erwartet wird, erhält er das individualisierte Print-Mailing. Genügt der Uplift voraussichtlich nicht, muss eine E-Mail genügen.

Viele Hersteller von Marketing Automation Software haben daher auch den Print-Kanal in ihrer Lösung integriert (siehe Liste). Der Aufwand ist überschaubar, schließlich muss statt einer E-Mail lediglich ein druckfähiges PDF-Dokument erzeugt und an den Druckdienstleister mit Lettershop übermittelt werden. Einfache, triggerbasierte Mailings lassen sich so nahtlos in die digitale Experience einfügen. Individualisierte Rabattcodes, Landingpages oder QR-Codes sorgen außerdem für einen geschlossenen digitalen Prozess.

"Individualisierte Printmailings sind viel einfacher umzusetzen, als viele denken", wirbt Dirk Görtz , Vice President Dialogmarketing bei der Deutschen Post   , für das Verfahren. "Der Erfolg einer crossmedialen Umsetzung ist oft verblüffend." Eine Postkarte genießt heute eben eine deutlich höhere Aufmerksamkeit als eine E-Mail. Ein Selfmailer kommt auf traumhafte Öffnungsraten. "Das sollte jeder unbedingt einmal ausprobiert haben", sagt Görtz.

Wo Marketing-Suites an Grenzen stoßen

Wer allerdings mehr als Geburtsgrüße und Rabattcoupons verschicken will, muss dem digitalen Print-Kanal mehr Aufmerksamkeit schenken. Denn die meisten MAS-Tools entstammen historisch dem EMail-Marketing und sind bis heute dafür optimiert. Das genügt für viele Anwendungsbeispiele - etwa um einen Selfmailer triggerbasiert abzusenden und Texte, Motive und Ansprache templatebasiert aus verschiedenen Vorlagen zusammenzustellen.

Aber Programmatic Printing kann weit mehr. Zum Beispiel komplette Kataloge oder Prospekte so individuell herstellen, dass für jeden Kunden ein Unikat entsteht. Wer so weit gehen will, stößt an die Grenzen einer herkömmlichen Marketing Suite. Aus mehreren Gründen:

  • Für das Empfehlungsmarketing kommen in den digitalen Kanälen Recommendation-Engines zum Einsatz, deren Algorithmen zu großen Teilen anhand des Klickverhaltens der Werbeempfänger antrainiert werden. Zu den Empfängern der Print-Werbemittel liegt jedoch häufig kein oder nur unqualifiziertes Klickverhalten vor, was zu ungewollten Ergebnissen führt.

  • Bei einer Massen-Individualisierung kann sich der Print-Kanal aus dem gesamten Artikelsortiment bedienen - meist sind die Artikeltexte dafür aber schon von ihrer Länge her nicht geeignet. Eine manuelle Anpassung würde eine Massenindividualisierung aber unmöglich machen. Spezielle Werkzeuge von Programmatic-Printing-Spezialisten schaffen Abhilfe, indem KI-basiert die vorhandenen Artikeltexte in ein optimiertes Format konvertiert werden.

  • Außerdem herrschen bei Print-Medien komplexere ästhetische Ansprüche in Hinblick auf die Seitengestaltung. Optische Highlights sollen die Seite auflockern, Weißflächen einen bestimmten Anteil nicht übersteigen und Modells müssen in die Seite hinein- und nicht hinausblicken. Die Seitengestaltung muss deswegen nicht allein den Vorgaben der Recommendation-Engine, sondern auch grafischen Anforderungen genügen. Automatisierte Layout-Engines müssen deswegen an die Stelle eines templatebasierten Layouts treten.

Letzteres Ziel verfolgt auch das Kölner Unternehmen Autlay   . Gestartet als ein universitäres Projekt hat Autlay eine KI-basierte Engine entwickelt. Referenzen sind etwa der Elektronikhändler Conrad   oder der Weinversender Belvini   .

Die Software ordnet die Produkte zunächst so an, dass ein ausgeglichenes Verhältnis von Bild, Text und Weißraum entsteht. Quer- und hochformatige Bilder werden entsprechend positioniert und grundlegende Design-Regeln beachtet. Das Ergebnis ist durchaus solide und unterscheidet sich kaum von einem manuellen rasterbasierten Layout. Grenzen kennt die Software eher in der Kreativität. "Ein Grafikdesigner kann einen Eye-Catcher besser in Szene setzen", räumt Autlay-Gründer und -Chef Sven Müller ein. "Aber die handwerklichen Anforderungen an das Layout erfüllen wir vollständig - auch was die Ästhetik betrifft."

Kreativität und künstlerische Gestaltung sind allerdings auch nicht die größte Herausforderung von Müller. "Das wichtigste Ziel liegt darin, die vorhandenen Daten komplett ohne manuellen Eingriff verarbeiten zu können", erklärt er. "Anderenfalls wären manche Anwendungsszenarien wirtschaftlich gar nicht darstellbar."

Kompromisse auf Kosten der Automatisierung gibt es bei Autlay deswegen nicht. Abstriche können Kunden später immer noch selbst machen, wenn sie das wünschen. Etwa indem sie bestimmte Highlight-Produkte vorauswählen und ihnen feste Plätzen zuweisen. "Unser Anspruch besteht aber darin, den kompletten Prozess ohne jeglichen Nutzereingriff abwickeln zu können", stellt Müller klar. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise triggerbasierte Printmails an Warenkorbabbrecher erstellen, für die auf den kompletten Warenbestand des Onlineshops zurückgegriffen werden kann.

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