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"Mindset first, skills second"

01.10.2018 - Wenn Unternehmen wie Siemens über die Zukunft sprechen, ist Digitalisierung eines der Wörter, die am häufigsten fallen. Rosa Riera, Vice President Employer Branding und Social Innovation, erklärt im Interview mit ONEtoONE, wie sich im Zuge der Digitalisierung das Personalmanagement bei dem Technologiekonzern verändert.

von Christina Rose

Einen "grundlegenden Kulturwandel" hatte Siemens Ende 2017 mit dem Start seines internationalen Employer Branding Programms eingeläutet. Sind Sie dafür nicht ein bisschen spät dran?Aktuell vollzieht Siemens einen der größten Transformationsprozesse seiner Unternehmensgeschichte - und zwar hin zum digitalen Business. Nun machen wir das, was bei Siemens schon länger passiert, auch für den Talente-Markt fühlbar. Im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter weltweit haben wir ein internationales Employer-Brand-Programm gestartet, dessen Hauptbestandteil eine Filmreihe ist, in der Siemens-Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Märkten weltweit zu Wort kommen. Uns ist wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Was bedeutet das konkret? Was wollen Sie potenziellen neuen Mitarbeitern vermitteln, um den "War for Talents" zu gewinnen?Unsere Employer-Branding-Strategie ist, einen Dialog über die Zukunft des Ingenieurwesens zu starten und zu zeigen, was es bedeutet, die Zukunft zu gestalten. Wir geben keine Corporate Messages "von oben" vor, sondern Mitarbeiter beschreiben in ihren Worten, was ihre Arbeit ausmacht. Der Fokus liegt auf dem Persönlichen, in Formaten, in denen sich jeder einzelne wohl fühlt: Podcast, Interviews, Videos, Artikel, aber auch in Virtual oder Augmented Reality. Es besteht keine Verpflichtung, an diesem Format teilzunehmen. Die persönlichen Geschichten transportieren viel Leidenschaft für Themen, die sehr relevant fürs Unternehmen sind: Was treibt beispielsweise einen Data Scientist um? Warum möchten Mitarbeiter an speziellen Standorten arbeiten? Was mögen sie an ihrem Job? Und wie kombinieren sie das mit ihren Möglichkeiten, Dinge zu gestalten? Das ist unser Weg, die Digitalisierung und Art, wie wir bei Siemens arbeiten, lebendig zu machen.

Und funktioniert es? Wie ist die Resonanz?Seitdem wir die neue Art der Kommunikation begonnen haben, werden wir deutlich besser bewertet. Außerdem haben wir in Interviews festgestellt, dass Bewerber Fragen anders stellen, und zwar basierend darauf, was sie über die "Future Maker Stories" gehört haben. Wir haben das erst vor ein paar Monaten in der Breite gelauncht, aber unsere ersten Erfahrungen sind sehr gut.

Wie vollzieht sich der erwähnte Wandel zum digitalen Business abseits des Recruitings?Bisher waren vor allem erstklassige innovative Produkte ausschlaggebend für den Erfolg, mittlerweile sind es immer mehr die digitalen Services. Beispielsweise Züge: Es reicht heute nicht mehr, nur einen Zug zu verkaufen. Idealerweise können Sie auch gleich ein Fernwartungssystem mit verkaufen, das Verschleiß vorausschauend erkennen und Reparaturen sinnvoll planen kann, damit Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Züge optimiert werden. Ein anderes Beispiel: Mit Digital Twins können wir ganze Fabriken und Prozesse digital abbilden und simulieren. So können Fehler schon bei der Planung von Fabriken und Produkten vermieden werden - Fehler, deren Beseitigung sehr aufwendig und teuer wäre, wenn die Fabrik schon steht. Siemens ist in Sachen Digitalisierung "cutting edge".

Wer ist maßgeblich verantwortlich für Digitalisierung? Gibt es einen CDO?Es gibt keinen einzelnen CDO. In den einzelnen Geschäftseinheiten beschäftigen sich alle mit Digitalisierung, auch im Bereich HR. Neben der Gesamtstrategie des Unternehmens ist es wichtig, dass sich jeder einzelne Mitarbeiter Digitalisierung auf die Fahne schreibt und in den eigenen Bereichen vorantreibt. In einer Phase extremem Wachstums müssen alle ran.

An welchen Veränderungen ist die fortschreitende Digitalisierung am deutlichsten spürbar?Bisher stand das Produkt im Mittelpunkt, nun rücken immer mehr die Daten, die diese Produkte generieren, in den Mittelpunkt: Züge, Turbinen, Magnetresonanztomographen - alle produzieren riesige Mengen Daten, die zunehmend analysiert und daraus neue Geschäftsmodelle entwickelt werden.
Unser Vorteil ist, dass wir nicht nur die Daten, sondern auch die Produkte kennen. Das Zusammenspiel zwischen Hard- und Software macht den Erfolg. Auf diese Weise können wir unseren Kunden ganz andere Lösungen anbieten als wenn wir rein digital wären.
Und in der HR-Abteilung gibt es keinen Tag, an dem wir nicht über Digitalisierung sprechen. Denn sie verändert auch die Art, wie man führen muss. Es gibt auf der einen Seite mehr Wege, Teams zu führen, auf der anderen Seite ändern sich die Ansprüche der Menschen. Der Dialog wird relevanter.
Führung bedeutet nicht mehr, mehr zu wissen und das weiter zu geben, sondern die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter bestmöglich miteinander zu kombinieren und die Innovationsfähigkeit jedes Einzelnen zu fördern.

Was waren Ihre Aha-Momente im Zuge der Digitalisierung?Jede Transformation und jeder Wechsel erzeugt Fragezeichen: Was kann man wo noch machen und erreichen? Wie kann man sich und sein Team vor Überlastung und Burnout schützen? Meine Chefin Janina Kugel betont oft: Jedes Handy hat auch einen Ausschaltknopf, d.h. es ist so viel möglich, dass man auch mal abschalten muss. Ich finde das ist ein wichtiger Punkt: Wir erwarten nicht, dass alle jederzeit überall arbeiten. Ziel ist nicht "always on", sondern flexibel zu sein und mehr Optionen anzubieten, wie man in Teams zusammenarbeitet.
Eine der großen Herausforderungen der Digitalisierung ist die Unternehmens- und Führungskultur. Viele jüngere Bewerber sagen, dass sie kaum (wertvolles) Feedback bekommen. Auf der anderen Seite wissen wir aus Studien, dass nur wenige tatsächlich nach Feedback fragen. In dieser neuen Art in Teams zu arbeiten, ist Dialog und Feedback extrem wichtig. Wenn wir über Digitalisierung sprechen, dürfen wir den Menschen nicht vergessen und müssen immer wieder Dialogimpulse schaffen.

Wie verändert sich die Personalsuche? Suchen Sie andere Anforderungen mit anderen Mitteln?Durch den digitalen Wandel wissen wir nicht im Detail, welche expliziten Kompetenzen oder Studiengänge für künftige Jobprofile relevant sein werden. Dazu verändern sich ganze Berufsgruppen zu rasant. Das bedeutet, dass wir uns grundsätzlichere Gedanken machen müssen: Wie ist der Mindset der Bewerber?
Es ist viel wichtiger, dass jemand die richtige Einstellung, Kultur und Lust an Gestaltung mitbringt. Man kann Prozesse lernen. Aber wie man an Themen herangeht und neue Themen gestaltet, ist das wirklich Interessante und Ausschlaggebende der Personalwelt. Das versuchen wir über unsere Future Maker Stories zu vermitteln. So unterschiedlich die Porträts auch sind, in allen spürt man den Willen und die Neugier. Also: Mindset first, skills second! Das heißt nicht, dass Kompetenzen nicht auch in Zukunft relevant sind, sondern dass die innere Einstellung sowie kulturelle Themen im Unternehmen deutlich an Bedeutung gewinnen.

Was würden Sie im Nachhinein anders machen?Wir haben die Employer Brand global gelauncht, haben aber allen regionalen Standorten die Option gegeben, alles auseinanderpflücken zu dürfen und neu zu machen, wenn es nicht passt. Das war ein Risiko, hat aber gut geklappt und war die richtige Entscheidung.
Wir haben unsere Mitarbeiter an allen Standorten gefragt, was ihre größten Herausforderungen sind. In Indien ist das beispielsweise 'attraction and retention‘, also potenzielle Mitarbeiter von Siemens zu überzeugen und zu halten, weil der Markt dort so schnelllebig ist. In Brasilien dagegen war es "attraction and engagement". Auf dieser Basis haben wir verschiedene HR-Strategien entwickelt. Im Nachhinein würde ich früher anfangen, die Regionen untereinander zu vernetzen, weil wir jetzt sehen, dass die Regionen untereinander Dinge adaptieren.

Was erwarten Sie noch in Sachen Digitalisierung für den HR-Bereich?In der Arbeitswelt werden wir noch viele interessante Veränderungen sehen. Das Thema Partnerschaft wird wichtiger, um von anderen zu lernen. Außerdem muss man intern anders kommunizieren und Informationen teilen als bislang üblich. Beispielsweise hat man früher die IT selber entwickelt oder etwas für sich adaptiert. Inzwischen suchen wir starke Partner, die Systeme kontinuierlich weiterentwickeln. Und wir helfen ihnen dabei, die Anforderungen des Marktes besser einzuschätzen. Auf diese Weise können alle schneller agieren.
Übertragen auf HR heißt das: Da wir stetig lernen, setzen wir auch mal Moocs ein (massive open online courses), damit wir im Dialog bleiben und Teams sich weiter entwi­ckeln. Die Employee Experience ist uns sehr wichtig: Wie müssen wir uns als Unternehmen aufstellen, damit die Kolleginnen und Kollegen vom ersten Tag an gute Erfahrungen machen? Das fängt bei der Bürogestaltung an (Offenheit, Austausch über Gebäude fördern), geht über die Kultur des Dialogs bis hin zur IT - damit wir die Sys­teme besser zur Zusammenarbeit nutzen.

Das Gespräch führte Christina Rose

Employer Branding: wohin geht die Reise? Drei Tipps von Sascha Martini*


Das Beispiel von Siemens macht anschaulich, dass man Employer Branding heutzutage nicht mehr losgelöst von der Unternehmenskultur betrachten kann. Wenn man auf eine solche Weise an eine Arbeitgebermarke herangeht, verbessert dies nicht nur den Ruf bei den Bewerbern, sondern sorgt auch intern für eine Transformation. Employer Branding funktioniert so als Enabler für das ganze Unternehmen: Nicht selten kommen auf diesem Weg Unternehmensbereiche zusammen, die zuvor keine Berührungspunkte hatten.
Der authentischste Weg, Bewerbern die Kultur und den Arbeitsalltag eines Unternehmens nahe zu bringen, sind Gespräche mit bestehenden Mitarbeitern. Große Organisationen sind voller interessanter und relevanter Programme, die inhaltlich für solche Konversationen verwendet werden können. Das ist nicht nur kosteneffizient, sondern sorgt auch für eine verbesserte Zusammenarbeit im Unternehmen. Technologien wie VR und AR sowie die sozialen Medien helfen, 1:1 Gespräche so zu skalieren, dass sie einen maßgeblichen Effekt auf die Arbeitgebermarke haben.

3 Tipps für Ihr TransformationsprojektTransformation ist also auch im Bereich Employer Branding die große Überschrift. Um diese erfolgreich durchzuführen, möchten wir Ihnen unsere drei wichtigsten Ratschläge ans Herz legen:
- Denken Sie ganzheitlich, wenn es darum geht, mithilfe der Unternehmenskultur Ihre Arbeitgebermarke voranzutreiben. Und schrecken Sie nicht davor zurück, direkt an Ihrer Kultur zu arbeiten, um dies zu erreichen.
- Setzen Sie auch auf Expertise in den Bereichen Consumer Branding und Kommunikation, um die Herausforderungen im Employer Branding zu meistern.
- Betrachten Sie das Employer Branding als bereichsübergreifende Aufgabe, damit Sie die Vorteile bestehender Programme und Initiative nutzen können.

*Sascha Martini ist Managing Director von R/GA Berlin, von der das Konzept des Employer-Brand-Programms für Siemens stammt.

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