Noch vor wenigen Jahren gab es im Direktmarketing eine einfache Regel: Wer seine (Stamm-)Kunden erreichen wollte, verschickte eine Postkarte. Inzwischen gilt das als hoffnungslos altmodisch. Bestenfalls Senioren werden noch per Post beworben. Jedes halbwegs moderne Unternehmen hat längst sein Marketing digitalisiert. Das Generieren von EMail-Adressen, smartes Targeting in Social-Media sowie die Gestaltung und Individualisierung von Newslettern und Inhalten sind zu einer eigenen Kunstform geworden.
Und trotzdem - oder gerade deswegen - erleben die guten alten Postmailings eine Renaissance. Nicht etwa als Ersatz zur digitalen Kommunikation, sondern viel mehr als Ergänzung. Denn: Während viele Mail-Postfächer längst mit Werbung zulaufen, ist Print auf dem besten Wege dazu, Premium zu werden. "Früher war der Briefkasten mit Reklame überfüllt", sagt Johannes van der Loo
, der für die Agentur Smartcom
- einem Beratungs- und Prozessspezialisten für Kundenkommunikation - Unternehmen bei ihrer Programmatic-Printing-Strategie berät. "Inzwischen sind es die EMail-Postfächer, die mit Werbung überschwemmt werden. Im Prinzip leben wir in einer Zeit der digitalen Reizüberflutung." Drucksachen erhalten längst die höhere Aufmerksamkeit.
Neben der zunehmenden Exklusivität ist es aber ausgerechnet auch die Digitaltechnik, die Print attraktiver macht. Sie ermöglicht es, Konsumenten zielgenauer, individueller und zugleich kostengünstiger anzusprechen als mit herkömmlichen Prospekten. Inzwischen ist es längst möglich, Drucksachen in großer Auflage, bester Qualität und zu geringsten Kosten hochindividuell zu erzeugen. In Zehntausender-Auflage lassen sich Hochglanz-Prospekte drucken, von denen jedes einzelne ein Unikat ist und nur die Produkte enthält, die zum individuellen Bestellverhalten passen.
Programmatic Printing: Drucksachen werden flexibel wie E-Mail
Vordergründig handelt es sich lediglich um eine beeindruckende drucktechnische Weiterentwicklung. Doch am Ende sind die Auswirkungen fundamental. Denn prozesstechnisch ist Print nun so flexibel, individuell und automatisiert auszusteuern wie ein digitaler Kanal. Die Postkarte, der Flyer, der Prospekt - selbst ganze Kataloge - verhalten sich nicht anders als eine E-Mail, die aus einer Marketing-Automatisierungssoftware abgefeuert wird. Das hat dramatische Auswirkungen:
- Das Printmailing lässt sich als ein weiterer Kanal in der Marketing-Automatisierung einfügen.
- Printmailings können event- oder verhaltensbasiert ausgesteuert werden.
- Printmailings können individualisiert und personalisiert werden.
Wenn es ganz persönlich werden soll, verschicken unsere Reisebüros Postkarten.
Tatsächlich haben sogar viele Software-Werkzeuge zur Marketing-Automatisierung bereits eine Funktion zur Verwaltung von Printmailings eingebaut. Auf diese Weise lässt sich das Medium Print wie jeder digitale Kanal in den Kampagnen-Workflow integrieren. Auf einfachste Weise können Zielgruppen selektiert und ausgewählt, Bedingungen geknüpft und Handlungsweichen erstellt werden oder mit verhaltens- oder eventbasierten Triggern komplexe Abläufe in Gang gesetzt werden. "Damit lassen sich Printmailings viel wirkungsvoller aussteuern, Print wird ganz neu gedacht", meint van de Loo, vom Individualisierungs-Spezialisten SmartCom. "Der Inhalt, der Zeitpunkt, die Nachricht selbst erreichen den Kunden genau dann, wenn sie für ihn relevant ist."
Print und Online ergänzen sich gegenseitig
Früher war der Briefkasten mit Werbung überflutet - heute ist es das EMail-Postfach.
(Johannes van de Loo, General Manager, SmartCom.de)
Bild: smartcom
Besonders wirkungsvoll ist die Kombination von Print und Online-Medium. So lässt sich die präzise Messbarkeit aus dem Internet mit der hohen Aufmerksamkeit des Printmailings kombinieren. Technisch ist die Herausforderung gering - zumindest, wenn das Unternehmen online seine Hausaufgaben gemacht hat und auf ein Marketingwerkzeug setzt. Denn dann lässt sich das Print häufig durch einen beliebigen Trigger auslösen und das Mailing automatisiert personalisieren, gestalten und versenden.
Beispiele aus unterschiedlichen Geschäftsfeldern:
Online Modehändler
Statt einfach nur eine Targeting-Kampagne aufzusetzen, in der die Warenkorbabbrecher angesprochen werden, kann der Händler auswerten, wie lange ein Besucher ein einzelnes Produkt und die dazugehörigen Detailseiten betrachtet. Entsprechen Kunde und Produkt zuvor festgelegten Kriterien, was Kaufverhalten und Produktmarge betrifft, wird ein Flyer produziert, auf dem genau die betrachteten Produkte inszeniert und mit einem moderaten Rabatt (oder einer kostenlosen Lieferung) angeboten werden.
Strom- und Telekommunikationsanbieter
Auch diese Kunden binden sich langfristig an einen Anbieter und sind sehr wertvoll. Entsprechend schmerzhaft ist es, sie zu verlieren. Viele Anbieter setzen daher auf Win-Back-Angebote, um sie nach einer erfolgten Kündigung noch einmal umzustimmen. Entscheidender Nachteil dieser Angebote: Sie kommen immer zu spät. Denn der Kunde hat seine Arbeit bereits erledigt, hat sich einen neuen (oft günstigeren) Anbieter gesucht, Wechsel-Anträge und -Formulare ausgefüllt und zuletzt die Kündigung fristgerecht eingereicht. In dieser Situation ist es für ihn das einfachste, nichts weiter zu tun und das Win-Back-Angebot auszuschlagen - zumal er dabei oft noch bares Geld spart.
Deswegen lohnt es sich, einen Schritt nach vorn zu tun und den Kunden anzusprechen, bevor er sich für einen Wechsel entschieden hat. In dieser Situation ist er dankbar, wenn ihm die Querelen des Anbieterwechsels erspart bleiben. Ein Abgleich der eigenen Kundendatenbank mit den Umzugsdaten der Post oder der Leads aus einschlägigen Vergleichsportalen zeigt wechselwillige Kunden zuverlässig auf. Ein individualisiertes Print-Mailing erzeugt die nötige Aufmerksamkeit.
Geschäftsmodelle auf Abo-Basis
Ähnliche wertvoll sind häufig Abo-Kunden. Auch hier lohnt es sich, in steigende Conversion-Rates zu investieren, da die Kunden in der Regel einen hohen Return-on-Invest mitbringen. Interessenten, die das typische Verhalten eines Neukunden zeigen, wird mittels Pop-Under eine kostenlose Probeausgabe angeboten. Ist die Zustimmung erteilt und die Postadresse nach einer Registrierung übermittelt, lassen sich die wiederkehrenden Besuche messen und individuelle Werbemittel generieren - zum Beispiel, indem auf die redaktionellen Inhalte der kommenden Ausgabe hingewiesen wird, die zum bevorzugten Interessengebiet des potentiellen Neukunden zählen.
Reisebüros
Zu den größeren Investitionen eines Privathaushaltes gehören Urlaube und Reisen. Meist werden sie langfristig geplant. Wer dazu ein Reisebüro besucht und sich komplexe Produkte wie Sprachreisen oder Kreuzfahrten zeigen lässt, hat Beratungsbedarf und langfristiges Interesse. Dieser Kontakt lässt sich dauerhaft intensivieren: Nach dem Besuch im Reisebüro hat der Anbieter Studiosus seine Interessenten etwa mit einem maßgeschneiderten Katalog überrascht, der genau die Angebote enthielt, die vor Ort besprochen wurden.
Die 200 Reisebüros vom Lufthansa City Center
setzen dagegen ganz auf eine persönliche Kundenbindung: Mit "Welcome back"-Postkarten nutzen sie den Moment der größten Entspannung bei einer Urlaubsreise - den Zeitpunkt direkt nach der Rückkehr. Die Mitarbeiter der Reisebüros sind dabei frei in der Gestaltung der Karten, die über das B2B-Portal des Dienstleisters Postando
gedruckt und verschickt werden. Auf diese Weise entsteht eine sehr persönliche Bindung - und viel positives Feedback.
Print genießt Premiumstatus
Mittels der gängigen Softwareprodukte zur Marketing Automation und moderner Drucktechnik lassen sich Printmedien ebenso flexibel einsetzen wie digitale Werbung. Statt einer Push-Nachricht, einer E-Mail oder eines Online-Werbebanners wird ein druckfertiges PDF an den Dienstleister übermittelt, der mittels Highspeed-Inkjet die Drucksachen erzeugt und versendet. 24 bis 48 Stunden nach Auftragseingang sind sie im Briefkasten des Empfängers.
Das vermeintliche "Analog-Medium" Print ist auf diese Weise nahtlos in moderne Marketingprozesse integriert. Dort kann es seine Stärken gezielt ausspielen - sofern man auch mit den Schwächen umgehen kann. Die wichtigste Einschränkung ist vielleicht der Preis. Während Mails nahezu kostenlos generiert und versendet werden können, kostet eine Printsendung vergleichsweise viel Geld.
Zugleich ist das aber auch die größte Stärke des Mediums. Print ist nicht nur auf der Kostenseite Premium, sondern auch bei der Werbewirkung.
"Auch wenn Lufthansa City Center stark auf online und digitale Kundenkommunikation setzt - wenn es ganz persönlich werden soll, werden die Botschaften von unseren Reisebüros gerne per individueller Postkarte verschickt", verrät Eva Rieger, die für die Bereichsleitung Marketing im Unternehmen zuständig ist.
"Sie kommt an, wird mit einer Öffnungsrate von 100 Prozent gelesen und hebt sich als traditionelles Medium in der Zwischenzeit sehr positiv von den zahlreichen digitalen Reizen ab. Der Kunde empfindet die persönliche Postkarte als Wertschätzung."