Interview MissPompadour

Erik Reintjes über Conversational Commerce: "Wir nehmen das Unpersönliche aus dem E-Commerce"

Erik Reintjes, Co-Founder und CEO, MissPompadour GmbH (Bild: Misspompadour)
Erik Reintjes, Co-Founder und CEO, MissPompadour GmbH

21.08.2022 - Das ECommerce-Startup MissPompadour ist im Bereich Conversational Commerce ein Vorreiter in Deutschland. Der Messengerkanal WhatsApp ist für das junge Unternehmen nicht nur ein wichtiger Kanal für den Kundendialog, sondern auch für den Verkauf. Ein Gespräch mit Co-Founder und CEO Erik Reintjes über persönliche Farbenberatung im Chat, die Grenzen von Bots und die Kraft der DIY-Community.

von Frauke Schobelt

MissPompadour - mit Wurzeln im stationären Handel - setzt seit 2019 vollständig auf E-Commerce und Direct-to-Consumer- mit sehr großem Erfolg. Wie entwickelt sich Ihr Segment im ECommerce-Markt?
Was Zalando   mit Schuhen und Mode vor 15 Jahren war, wird nun der Baumarkt im ECommerce. Der Onlineanteil am Markt für Bautenfarben - also Farben, die KundInnen selbstständig oder vom Maler zu Hause verstreichen lassen - beträgt erst vier Prozent in Deutschland. Das Wachstumspotenzial ist sehr groß, wenn sich KundInnen entscheiden, Farben nicht mehr nur stationär, sondern auch online zu kaufen.

Warum setzen Sie auf Direct-to-Consumer?
Wir haben uns nicht bewusst dafür entschieden, eine Direct-to-Consumer-Marke zu sein. Die Hersteller und die Farbbranche sind jedoch so in ihrer alten Welt verhaftet, dass sie unsere Geschwindigkeit nicht mitgehen konnten. Selbst unsere starken Marken haben bis heute noch nicht verstanden, wie wir ihr Produkt vertreiben, weil sie noch ganz klassisch in diesem B2BGeschäft stecken. Davon mussten wir uns emanzipieren. Durch unsere direkte Kundenansprache wissen wir, was die KundInnen brauchen. Daraus entwickeln wir unsere Produkte. Da war D2C ein logischer Schritt. Warum sollten wir das jemand Anderem überlassen und vielleicht noch die Marge verlieren?

Verkaufen Sie auch auf Marktplätzen?
Auf Marktplätzen sind wir auch vertreten, um noch mehr mögliche KundInnen zu erreichen. Auf Otto   sind wir schon, aber die Produktgruppe Farben wird erst Ende des Jahres freigeschaltet. Auch Avocadosstore   ist für uns sehr wichtig: Dass der nachhaltigste Marktplatz auch die nachhaltigste Wandfarbe führt, sehen wir als Gütesiegel. In den nächsten zwei Monaten starten wir auch einen Shop auf Amazon   , da sind wir in den letzten Zügen. Wenn 70 Prozent der Menschen in Deutschland bei Amazon kaufen, muss man auch dort sein. Zudem ist Amazon nicht mehr so wie vor ein paar Jahren, als jede Marke Angst hatte, gleich geschluckt oder kopiert zu werden.

Ist dann auch Retail-Media ein Thema für Sie?
Das wird der Markt entscheiden. Wenn wir merken, dass unsere Produkte Anlaufschwierigkeiten haben, dann werden wir wohl auch auf den Marktplätzen werben. Der Farbmarkt hinkt da ziemlich hinterher, wir werden sicherlich die ersten sein, die einen gut durchdachten Amazon-Shop starten. Deshalb hoffen wir, dass es noch organisch vorwärts geht.

Onlinehändler wie etwa Brillenanbieter Mister Spex eröffnen mittlerweile auch stationäre Filialen und setzen auf Omnichannel. Können Sie sich vorstellen, irgendwann auch wieder eigene Läden zu eröffnen oder stationär Produkte zu verkaufen?
In den nächsten Jahren definitiv nicht. Der DIY-Markt entwickelt sich gerade erst im ECommerce und wir sind der Meinung: Das ist das nächste große Ding. Das sieht man auch daran, wie Hornbach und Obi in diesem Bereich agieren.

Im Baumarkt wird es MissPompadour also nicht geben?
Nein. Wir sehen da keinen großen Mehrwert, weder für die KundInnen noch für uns. Unser Ziel ist eher, dass die Leute nicht mehr in den Baumarkt gehen.

In der Pandemie haben viele ihr Zuhause verschönert und Do-it-yourself (DIY) entdeckt. Welche Rolle spielt dies für Ihren Erfolg?
Corona war für uns ein natürlicher Wachstumsboost. Wir haben sicherlich drei Jahre gewonnen, weil die KundInnen gezwungen waren, online zu kaufen. Denn auch die stationären Baumärkte waren ab März 2020 geschlossen. Das Suchvolumen nach Farben war damals sicherlich achtmal so hoch wie heute. Wir waren mit die ersten, die auf Google   weit oben platziert waren. Diese Zeit war für uns auch ziemlich hart, weil unsere Firma noch sehr klein war. Wir hatten nur eine kleine Logistik und haben selbst jeden Tag zwölf Stunden Pakete gepackt und nebenbei die eigene Marke gelauncht.

Die Menschen sind wieder mehr unterwegs. Nimmt der DIYTrend jetzt ab?
Das können wir nicht bestätigen. Aktuell kommt im Onlinehandel unser Bereich wahrscheinlich noch am besten weg, weil der Markt wächst und noch nicht gesättigt ist. Anders als bei Technik, Wohnen oder Kleidung. Farben, Lacke und andere DIY-Produkte gönnen sich viele Menschen auch in Zeiten der Inflation, weil sie damit ihr Zuhause, ihr Heiligstes, relativ einfach verschönern können. Eher sparen sie am Urlaub oder an Sneakern für 200 Euro. Wir merken natürlich auch einen Nachfrageeinbruch. Aber wir schaffen es, den hohen Status zu halten.

Warum haben Sie während dieser Phase auch noch eine Eigenmarke gelauncht?
Unsere früheren Lieferanten kamen alle aus Großbritannien. Erst stand der Brexit vor der Tür und dann auch in England der totale Lockdown. Wir waren jedoch so weitsichtig, vorher noch so viel wie möglich zu bestellen - 24 Paletten standen bei uns auf dem Hof. Doch wir mussten etwas tun und haben deshalb eine Eigenmarke gelauncht, erst mit einem ganz kleinen Sortiment. Als wir sahen, dass es funktioniert, haben wir die Marke schnell ausgerollt mit zwei Wandfarbqualitäten, Versiegelungen, Reinigungsmitteln und Zubehör.

Wie und in welchen Kanälen bewerben Sie die Eigenmarke und den Onlineshop?
Es gibt zwei Wege, Farben zu kaufen oder zu verkaufen - entweder nach dem Farbton oder der Anwendung. Darauf haben wir uns von Anfang an spezialisiert. Eine klassische User Journey geht so: Der potenzielle Kunde oder die Kundin sucht in der Google-Maske nach Hilfe und Inspiration für Projekte wie "Wände streichen" oder "Tür streichen". Dann müssen wir präsent sein und diese KundInnen mit unserem Content abholen. Dafür zahlen wir auch. Wichtig ist für uns auch Social-Media-Marketing auf Facebook   und Instagram   . Unsere Facebook-Gruppe ist sehr stark mit jetzt knapp 80.000 Mitgliedern, hier funktioniert Wordof-Mouth sehr gut. Jede Person, die in der Gruppe aktiv ist, ist zugleich Botschafter für die Marke. Wir arbeiten außerdem mit einer PR-Agentur zusammen und setzen auf klassisches Affiliate- Marketing, Influencer-Marketing und reines Paid-Marketing. Wir nutzen alle digitalen Möglichkeiten, um das Streichen zu bewerben und natürlich auch die Marken von MissPompadour   .

In der App und seinen Onlinekanälen bietet MissPompadour viel Content mit Tipps und Beratung rund um die Verschönerung des eigenes Zuhauses. Nicht nur Farben verkauft das Unternehmen, sondern auch das Zubehör. Den goldenen Pinsel gab es bei einer Aktion zum (Bild: Misspompadour)
In der App und seinen Onlinekanälen bietet MissPompadour viel Content mit Tipps und Beratung rund um die Verschönerung des eigenes Zuhauses. Nicht nur Farben verkauft das Unternehmen, sondern auch das Zubehör. Den goldenen Pinsel gab es bei einer Aktion zum


Wie hoch ist die Markenbekanntheit von MissPompadour?
Da haben wir noch keine exakten Zahlen, weil es die Marke ja erst seit 2019 gibt. In gewissen Bereichen sind wir sehr bekannt, in anderen aber noch gar nicht. Wir versuchen langsam und stetig zu wachsen. An Alpina   sind wir sicher noch nicht dran.

Wie viele Mitarbeitende arbeiten bei Ihnen im Marketing?
Zwölf Personen kümmern sich um alles rund um das Marketing - Social Media, Influencer, Newsletter, Grafik, Content, Film und Foto, Kreation. Wir haben gemerkt, dass dies nur inhouse funktioniert. Es ist schon die eigene Sprache, die man sprechen muss.

Im Bereich Conversational Commerce über WhatsApp ist MissPompadour ein Vorreiter in Deutschland und wurde dafür mit dem Best Retail Award ausgezeichnet. Sie nutzen den Messengerdienst sowohl für die Kundenberatung als auch für Sales. Warum haben Sie von Anfang an auf diesen Kanal gesetzt?
Als Firma suche ich immer den nächstmöglichen Kontakt zu den KundInnen. Im Messenger ist man ihnen als Marke ganz nah, zwischen den Freunden, der Familie. KundInnen freuen sich, wenn ein Händler so einfach wie möglich zu erreichen ist. Eine Mail ist aufwändig. Telefonieren kann man auch nicht immer. Messenger nutzen alle im Alltag, man sieht sofort, ob die Nachricht gelesen wurde und bekommt eine schnelle Antwort. Für mich ist diese Art der Kommunikation eine logische zwischen Handel und Kunde, egal ob im ECommerce oder stationär.

Wie sieht es aus mit dem Datenschutz? Da stand WhatsApp ja oft in der Kritik.
Wir dürfen die KundInnen nicht aktiv anschreiben. Wie bei Mails ist ein Double-opt-in nötig. Wenn der Kunde das Unternehmen aber über eine API anschreibt, ist das datenschutzkonform. Da gibt es keinen Unterschied mehr zu klassischen Newsletter- Systemen. Man sollte sich keine Telefonlisten besorgen und Menschen illegal kontaktieren. Aber wenn der Kunde die Firma anschreibt, dann gibt es kein Problem.

Mobile First und First-Party-Daten: Das junge Start-up will verstärkt seine Community in den eigenen Kosmos holen und seine App zum Social-Media-Kanal für DIY ausbauen. (Bild: Misspompadour)
Mobile First und First-Party-Daten: Das junge Start-up will verstärkt seine Community in den eigenen Kosmos holen und seine App zum Social-Media-Kanal für DIY ausbauen.


In der Pandemie waren Kommunikation und Verkauf über WhatsApp für viele kleine Händler eher eine Notlösung, für MissPompadour ist es einer der wichtigsten Kanäle. Erwarten Sie einen Schub für Conversational Commerce?
In Ländern wie etwa China ist der Verkauf über Messenger schon deutlich verbreiteter. Aber hierzulande scheuen sich viele Firmen noch davor, weil der Aufwand recht hoch ist. Wir haben 15 Mitarbeitende, die sechs Tage die Woche von 9 bis 21 Uhr über WhatsApp   beraten. Die hohen Personalkosten lohnen sich jedoch. Denn man nimmt das Unpersönliche aus dem ECommerce. Viele Onlinekunden, die noch unsicher sind, gehen dann doch lieber in das stationäre Geschäft. Oder sie bestellen etwas und schicken es zurück. Genau dies umgehen wir mit der Beratung über WhatsApp.

WhatsApp ist Ihr erfolgreichster Dialogkanal. 50 Prozent der kompletten Konversation läuft über den Messengerdienst, der Rest über Telefon, E-Mail oder Social Media. Die große Mehrheit ihrer Kundschaft ist weiblich. Welche KundInnen- Gruppen lassen sich über WhatsApp besonders gut erreichen?
Das Alter ist als Kriterium egal geworden, denn auch Großeltern nutzen WhatsApp, die Angst davor ist weg. Bei der Wahl des Kommunikationskanals geht es eher um das Thema. Bei Reklamationen wollen die Menschen "Seriosität" und greifen eher zum Telefon, um vielleicht auch mal verbal Dampf abzulassen. Eine Mail schreiben sie, wenn sie Rechtssicherheit haben wollen. Etwa, wenn wir eine Reklamation nicht annehmen, weil das Produkt falsch genutzt wurde. WhatsApp bietet dagegen diese locker-flockige Beratung, da schreibt man schnell mal hin. Über den Messenger läuft der normale Kundenkontakt.

Gibt es da eigentlich Peaks? Wann schreiben die Leute?
Von morgens bis abends, aber meistens ganz klassisch am Sonntag oder auch Samstagabend. Viele bestellen auch am Montagmorgen.

Schicken die KundInnen auch Sprachnachrichten?
Das tun viele. Wir erklären dann sehr nett, dass wir das Gespräch gerne schriftlich weiterführen würden, weil wir die Informationen für unsere interne Systemen brauchen. Damit Kundenberater B am Mittwoch weiß, was Kundenberater A am Montag mit dem Kunden geschrieben hat. Da können wir nicht erst alle Sprachnachrichten durchgehen. Es gibt aber auch Video-Anrufe, bei denen die Kunden mit ihrem Handy durch die Wohnung laufen und uns zeigen, was sie streichen möchten.

Sonntag passiert viel, aber die Beratung ist von Montag bis Samstag. Antwortet mir dann am Wochenende ein Chatbot?
Bots nutzen wir nur zur Begrüßung und wenn keiner erreichbar ist. Etwa am Sonntag oder abends um zehn, wenn sich unsere Mitarbeitenden ihren Feierabend verdient haben. Das ist der Nachteil von WhatsApp: Die KundInnen ziehen oft keine Linie zwischen Professionalität und Privatem. Manche sind nicht so begeistert, wenn sie am Sonntag keine Antwort erhalten. Da muss man aufpassen und dann mit Bots arbeiten, die erklären, dass die Anfrage am Montag bearbeitet wird. Das nimmt einem dann auch keiner übel.

Aber die Automatisierung hat ihre Grenzen?
Ich kenne bis jetzt noch kein Positivbeispiel, das mir zeigt, ein Bot kann das so gut wie wir. Unser Thema ist sehr persönlich, privat und auch emotional, weil es um das eigene Zuhause geht. Die KundInnen wollen eine direkte Ansprache und wissen, wer auf der anderen Seite sitzt. Sie möchten auch mal einen Witz machen oder sich aufregen. Manchmal leisten wir auch ein wenig Seelsorge, wenn das Kind auszieht zum Studieren und das Zimmer zum Hobbyraum wird. Das geht nur mit einer Person und nicht mit Technik.

Die KundenberaterInnen rekrutiert MissPompadour aus der eigenen Facebook-Community. Wie wählen Sie diese aus und was bieten Sie Ihnen?
In unserer Kundenberatung arbeiten aktuell zwölf Frauen und drei Männer. Wir beobachten, wer ist in der Facebook-Gruppe sehr aktiv ist und bewerten dann, ob Art und Schreibstil zu uns passen. Unsere Admin schreibt die Person dann an. Unsere Vorteile: Wir arbeiten zu 100 Prozent remote. Die Arbeit ist zeitlich flexibel, wir haben viele Mütter im Team, die sich den Tag dadurch freier einteilen können. Man muss natürlich Freude daran haben, mit Menschen Kontakt zu haben.

Rund 500 Anfragen bearbeiten Ihre 15 KundenberaterInnen am Tag. Gibt es eine Vorgabe, wie schnell sie auf eine Anfrage antworten müssen? Wie geduldig sind die KundInnen?
Wir haben den Anspruch, so schnell wie möglich zu antworten, das erwarten die KundInnen in der Messenger-Kommunikation. Am besten in den ersten ein bis zwei Stunden, danach werden die Leute ungeduldig.

Es gibt ja auch Impulskäufer, die jetzt doch den Schrank endlich neu streichen wollen.
Das ist meine Angst, dass wir die verpassen. Unsere Erfahrung: Wenn wir schnell antworten und erklären, dass gerade noch 30 Kunden in der Beratung sind und fragen, ob es ok ist, wenn wir uns am Nachmittag melden, dann sind die meisten zufrieden. Dann muss man sich natürlich auch melden, das wäre sonst fatal. Wir lassen uns jedoch nicht stressen, die Qualität der Beratung muss trotzdem stimmen. Wichtig ist Ehrlichkeit. Dann sind die KundInnen schon geduldig.

Rund 30 Prozent des Umsatzes machen Sie mittlerweile über WhatsApp - mit direkten Links zu den in der Beratung zusammengestellten Warenkörben. Wie zufrieden sind Sie mit der Conversionrate und wie wollen sie diese noch weiter steigern?
Wir rechnen damit, dass die Conversionrate bei rund 50 bis 55 Prozent liegt, was schon sehr stark ist im Vergleich zum normalen Shop. Unser Ansatz ist es nicht, die Konversion noch mehr zu steigern. Wir wollen eher noch mehr Leute erreichen und sie noch früher in unseren Kanal holen. Technisch kann man nicht mehr viel machen. Wichtig ist eine gute Kundenberatung, die mit Leidenschaft und Spaß bei der Sache ist.

Workwear-Kollektion für DIYFans: Auch nachhaltig produzierte Arbeitskleidung im MissPompadour-Look bietet das Start-up mittlerweile in seinem Onlineshop an. (Bild: Misspompadour)
Workwear-Kollektion für DIYFans: Auch nachhaltig produzierte Arbeitskleidung im MissPompadour-Look bietet das Start-up mittlerweile in seinem Onlineshop an.


Wo sind die Warenkörbe größer? Direkt im Onlineshop oder über WhatsApp?
Über WhatsApp sind die Warenkörbe 15 bis 20 Prozent größer. Das liegt auch am Upsale, die Beraterinnen empfehlen ja auch den Pinsel und die Farbrolle zur Farbdose.

Ihre Retourenquote liegt bei unter einem Prozent. Wie gelingt das?
Wir investieren lieber die zwei bis drei Stunden in die Beratung, als die Hälfte der Pakete zurück zu bekommen. Dies wäre ein viel höherer Kostenaufwand. Es gibt auch KundInnen, da sind wir vier Wochen dran, manche brauchen zwei bis drei Tage, andere entscheiden sich in Minuten. Im Durchschnitt haben wir drei bis fünf Kontakte mit jedem Kunden, bevor er oder sie kauft.

WhatsApp hat von MissPompadour gelernt, dass man den Kanal auch für den Verkauf nutzen kann. Wie zufrieden sind Sie mit der WhatsApp Business API? Was könnte besser laufen?
Wir waren das zweite Unternehmen in Deutschland, das die Business-Anwendung installiert hat, damals noch nicht mal als API. Dann kam der Anruf von WhatsApp aus Kalifornien. Sie wollten wissen, wie wir den Chat als Saleskanal nutzen. Für uns war das ja logisch. Doch WhatsApp wurde nie mit der Intention gebaut, Sales zu generieren. Das haben sie bis heute auch noch nicht wirklich gut umgesetzt. Unternehmen müssen - so wie wir - selber technische Lösungen finden oder Dienstleister dazu holen, bei uns ist das MessengerPeople. WhatsApp hat es leider verpasst, selbst die Innovation nach vorne zu treiben und Firmenkunden die richtigen Werkzeuge für einen guten Saleskanal an die Hand zu geben. Da verlieren sie gerade gegen andere Messengerdienste, die dafür offener sind.

Was machen Sie lieber selbst inhouse, wo ist externe Unterstützung wichtig?
Alles, was mit dem Thema Warenkörbe und Check-out zusammenhängt, programmieren wir lieber selbst, weil wir es dann perfekt auf unser Shopsystem und das Checkout-System anpassen können. Fremde Lösungen wären uns da zu gefährlich. Es gibt jetzt aber auch schon bei Shopbetreibern wie Shopify   entsprechende Systeme, die das vereinfachen. Einige große bekannte Händler verschicken zudem über WhatsApp Newsletter an die KundInnen. Diese Funktion war Jahre gesperrt, aber wurde von WhatsApp 2021 wieder freigegeben. Das ist für viele sehr interessant und bei diesen Systemen werden die Dienstleister immer stärker.

Wie hoch sind die Kosten im Vergleich zu anderen Kanälen?
Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Die API ist mit rund 500 bis 1.000 Euro im Monat recht kostengünstig, aber wir haben mit 15 Festangestellten einen recht hohen Personalkostenblock. Ganz klassisches WhatsApp Business kostet gar nichts. Für den Versand von Newslettern muss man an WhatsApp eine Gebühr bezahlen, pro erreichten Kunden ein paar Cent. Mit diesem Konzept verdient WhatsApp das erste Mal Geld. Grundsätzlich kommt es auf die Shopgröße an. Mit einem normalen Shop und einer Person, die über WhatsApp Business berät, bin ich vielleicht mit 1.500 Euro im Monat dabei.

Klingt überschaubar.
Bei uns ist es mehr, aber das hängt auch vom Personal und der Größe des Shops und des Umsatzes ab.

Für welche Produkte kann diese Art von Beratung via WhatsApp funktionieren? Für wen eignet sich dieser Weg?
Wir nutzen nicht nur WhatsApp, sondern auch Instagram Nachricht, Facebook Messenger, Telegram   . Messengerdienste sind geeignet für beratungsintensive Produkte, sowohl im B2C- aber auch im B2B-Bereich. Denn auch Handwerker haben immer ihr Handy dabei und wollen vielleicht mal schnell etwas nachbestellen. Es eignet sich für Bereiche, in denen die Kunden aktiv viel mit ihrem Handy arbeiten. Ich sehe es aber auch in der Modebranche, bei hochpreisigen Produkten. Das ist eine Frage der Marge und wie viel es dem Unternehmen wert ist, den Sale mitzunehmen.

MissPompadour hat auch eine eigene App. Wie hoch ist die mobile Nutzung?
Weit über 90 Prozent. Unser Ansatz ist und bleibt Mobile First. Die einzigen KundInnen, die Desktop nutzen, sind die klassischen Montagmorgen-Besteller aus dem Büro.

Mehr als 400 Farbtöne hat MissPompadour im Sortiment, darunter auch 90 Farbtöne seiner Eigenmarke. Die wurde unter anderem entwickelt, weil traditionelle Farbenhersteller das Tempo des Start-ups nicht mitgehen konnten. Das Ziel von MissPompadour: Der Gang in den Baumarkt soll überflüssig werden. (Bild: Misspompadour)
Mehr als 400 Farbtöne hat MissPompadour im Sortiment, darunter auch 90 Farbtöne seiner Eigenmarke. Die wurde unter anderem entwickelt, weil traditionelle Farbenhersteller das Tempo des Start-ups nicht mitgehen konnten. Das Ziel von MissPompadour: Der Gang in den Baumarkt soll überflüssig werden.


Was bieten die App von MissPompadour?
Unsere komplette Content-Bibliothek rund um die Beratung, mit Videos und Texten. Auch einen App-basierten Shop, nicht nur eine Duplizierung des Webshops. Das hat den Vorteil, dass hier die Warenkörbe nochmal größer sind, weil die Kunden schon in unserem Kosmos sind und wir über Push-Nachrichten direkt mit ihnen kommunizieren können. Und dann noch Gimmicks, wie eine Farbberatung mit Augmented Reality oder eine Pipette zum Scannen der Farben. Außerdem wollen wir verstärkt unsere Community in die App holen, im Juni haben wir den ersten Teil gelauncht.

Warum noch eine Community? Sie haben doch schon eine große Facebook-Gruppe.
Wir versuchen uns etwas mehr aus dem Meta-Kosmos zu entfernen und unsere App zum Social-Media-Kanal für DIY auszubauen. Wir wollen nicht abhängig sein von Unternehmen in den USA, die jederzeit den Schalter umlegen können.

Bei 500 Anfragen am Tag lernen Sie viel über Ihre KundInnen. Wie profitieren Sie von diesem Datenschatz?
Wir nutzen eine Wissensbasis, in die alle Informationen reinfließen, die wir interessant finden. Auf Basis dieser Informationen entscheiden wir über neue Produkte, neue Farbtöne, neue Entwicklungen. Was müssen wir im Shop ändern? Wie funktionieren Aktionen wie Gewinnspiele? Was müssen wir anders machen? Wir treffen unternehmerische Entscheidungen danach, was dort an Informationen zusammenkommt.

Und wie profitieren Sie von dem User Generated Content, den Ihre KundInnen in den Kanal posten?
Wir fragen, ob wir die Inhalte innerhalb der Kundenberatung nutzen können oder auch für andere Social-Media-Kanäle. Wenn die KundInnen nein sagen, dann löschen wir diese Inhalte einfach. Von 150 Leuten sagen 148 Ja.
Das ist auch eine Frage des Vertrauens, wie man mit den Inhalten umgeht.

Wertvoller User Generated Content von Mikro-Influencern: Auf WhatsApp und In seiner Facebook-Community lädt das Start-up seine FollowerInnen dazu ein, Vorher-Nachher- Bilder zu posten. (Bild: Misspompadour)
Wertvoller User Generated Content von Mikro-Influencern: Auf WhatsApp und In seiner Facebook-Community lädt das Start-up seine FollowerInnen dazu ein, Vorher-Nachher- Bilder zu posten.

Unsere KundInnen wissen aus unseren Postings und Beiträgen, dass wir fair posten und nett zu ihnen sind. Wir moderieren auch, das ist ganz wichtig. Ich glaube, es gibt wenige Facebook- Gruppen in der Größe, die einen so guten Umgangston haben wie unsere. Da muss keiner Angst haben etwas zu posten und dann niedergemacht zu werden. Unsere Gruppe soll motivieren, deshalb wollen wir keine negativen und abfälligen Kommentare unter Bildern unserer Follower. Wir moderieren zu ihren Gunsten.

Ist auch Social Commerce über andere Social-Media-Kanäle ein Thema für Sie? Und Live-Shopping?
Wir gehen fünf Tage die Woche live, jeden Tag eine Stunde auf Instagram und Facebook. Gerade integrieren wir es auch in unseren Shop. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für uns. Unsere Mitgründerin Astrid geht jeden Freitag um 10.00 Uhr live, seit zweieinhalb Jahren. Wir kommen aus dem Social Commerce, haben das von Anfang an so gemacht. Jetzt gibt es auch Tools und wir haben unsere Produkte in den Katalogen auf Pinterest, Facebook und Instagram. Wir sind Social-Commerce-Natives.

Was halten Sie von dem Metaverse-Hype?
Die Entwicklung in den letzten zwei bis vier Monaten sehe ich eher als riesengroßen Scam, um ehrlich zu sein. Das ist mir gerade alles zu viel. Da fließt komisches Geld in komische Anlagen, das dann auch schnell wieder weg ist. Mir fehlt da die Seriosität. Den Gedanken an das Metaverse an sich finde ich schon interessant. Für große Konzerne wie Nike und Adidas ist es logisch, da aufzuspringen, es ist hip und neu. Trotzdem leben auch sie davon, Adiletten zu verkaufen. Spannend ist, ob sich das ganze Einkaufsverhalten verändern wird. Wenn ein Kunde mit einer Brille fiktiv unseren Shop besucht, die Beraterin färbt mit einem Klick die Wand blau oder grün und der Kunde fügt per Mausklick seine eigene Einrichtungsgegenstände hinzu - das ist schon interessant und sehr persönlich. Für uns ist das jedoch nicht relevant. Wir haben noch genug Themen im realen Leben, die wir schaffen müssen, bevor wir uns ganz in das Digitale stürzen.

Die Geschichte von MissPompadour

Das 2019 von Erik Reintjes, seiner Schwester Astrid Reintjes und Niklas Lütteken gegründete Regensburger Start-up MissPompadour hat sich als D2C-Händler auf Farben und DIY-Produkte rund ums Streichen spezialisiert. Als Produzent vertreibt es zudem seine Eigenmarke. Die Wurzeln sind jedoch stationär: In Regensburg führte Familie Reintjes ein Lokal für Interieur-Design und Möbel. Auch Farben wurden irgendwann ins Sortiment aufgenommen. Im Studium sollte Erik Reintjes als Abschlussarbeit ein "fiktives" Unternehmen gründen und entschloss sich, das Familiengeschäft als Onlineshop ins Netz zu bringen. Mit zunächst überschaubarem Erfolg, wie er rückblickend sagt, wohl auch, weil der Webauftritt "aus dem Blickwinkel eines Einzelhändlers heraus" entstand und als Schaufenster vor allem Kundschaft in den Laden locken sollte. Social Media brachte den Erfolg: 2017 startete Reintjes die Facebook- Gruppe "Streichen mit Kreidefarben von MissPompadour", genau rechtzeitig zum beginnenden Hype rund um DIY und Malen mit Kreidefarben. Sowohl auf Facebook als auch im Onlineshop wurden immer mehr Farbdosen bestellt. Das Unternehmen reagierte auf die steigende Nachfrage, krempelte den gesamten Shop um und startete als reiner Onlinehändler für Farben neu durch. Mit wachsendem Erfolg: Heute beschäftigt MissPompadour bereits 78 MitarbeiterInnen.

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