26 O N E t o O N E 1 1 - 1 2 / 2 0 2 1 und für die personalisierte Kundenansprache nutzen wollen, müssen sie kurzfristig stärker auf ihren eigenen Kanälen aktiv werden“, plädiert er. Für die CRM-Lösungen bedeute dies stärker in die Customer-Experience-Strategie eingebettet zu werden. Die Lösungen für KI und Automatisierung sind allerdings noch nicht so mächtig, wie es Dienstleister und Lösungsanbieter glau- ben machen, bremst Helmut Blocher die Euphorie. Für den Ge- schäftsführer des B2B-Eventspezialisten Succus ist die Zukunft hybrid: „Das bedeutet, wir nutzen wie selbstverständlich das Beste aus beiden Welten – analog und digital.“ Allerdings kön- nen Basisprozesse und einfache Geschäftsfälle inzwischen sehr gut automatisiert werden. Blocher: „Dadurch wird Zeit frei, in der Menschen für Kunden da sind. Insbesondere dann, wenn es darum geht, besondere Momente zu erschaffen, also „Moments that matter“, die sich in das Langzeitgedächtnis in das Gehirn der KundInnen einbrennen.“ Oder wenn es darum gehe, im Be- schwerdefall, die ersten, negativen Emotionen menschlich und professionell aufzufangen. „KI ist ehrlich gesprochen noch viel Blendwerk und eher Flow- automatisierung oder Prozessablaufautomatisierung“, pflichtet CRM-Experte Korb bei: „Wenn getriggerte Abläufe gestartet wer- den, ist das für uns NutzerInnen manchmal magisch und sehr hilfreich, aber hat weder mit CRM-Funktionen und Tools, wie ZIA, Einstein oder Sally zu tun. Diese halfen in bestimmten Feldern, aber da darf man dann mal päpstlicher als der Papst sein und genau die Definitionen hinterfragen.“ Voice ist etabliert Potenzial sieht Magdalena Novak im Fotografieren bzw. Scannen von Unternehmenslogos oder Gesichtern von Personen, das auf die entsprechenden Websites oder LinkedIn-Profile führt. Novak: „Diese Daten lassen sich direkt im CRM-System abspeichern und erleichtern damit Anlegen und Pflege von Daten im System.“ Voice und Messaging-Interfaces dagegen hätten sich bereits in der alltäglichen Kommunikation etabliert. Voice-Erfassung, Voice- Ausgabe, Voice-getriebene Auswertungsanfragen von Standard- reports und Besuchsberichte per Diktat in die CRM-Systeme sind für Ralf Korb als Analyst und Betrachter seiner Kristallkugel längst „alte Kamellen“, kommen aber auch mittlerweile im Mainstream der Herstellerlösungen an. „Mach es dem Vertriebler einfach, gib ihm mehr Zeit für seine KundInnen, lass ihn einfach Daten finden und Angebote erstellen – das wäre schon mal echter Fortschritt“, so seine Forderung. Der Trend geht weg von einer unkonkreten One-Way-Kommu- nikation hin zu mehr Einbindung der KundInnen in die digitale Customer Journey, in der KundInnen individuelle Informationen und Konzepte abrufen und daraus Mehrwerte heben können, fasst Nicolas Wandschneider, Geschäftsführer des auf B2B-Marketing und Vertrieb spezialisierten Beratungsunternehmens Cloud- bridge Consulting, zusammen. „Die digitale Welt bietet Marketing und Sales die Option, digitale Touchpoints, die häufig nur für sich allein standen, künftig so zu verbinden, dass sie ineinander greifen und den KundInnen eine nahtlos verzahnte Experience geboten wird. Alle Technologien, die KundInnen in dieser Form einbeziehen oder dem Sales die Möglichkeit geben, besser auf die Kundenbedürfnisse einzugehen, werden stärker genutzt werden.“ Dazu zählt er digitale Tools auf Feldern wie Conversion Intelligence oder auch Sales Solutions. Self Service: KundInnen wollen Einsicht in Daten Neben KI und Automatisierung ist Integration die dritte wich- tige Säule für CRM im kommenden Jahr. „Im Sinne des Multiex- perience-Gedankens wird das Zusammenspiel von Touchpoints wie Chat(bots), Live- und Videochat sowie Collaboration Tools mit dem CRM perfektioniert“, skizziert Nicole Becker, Chief Sales Officer beim Software-Hersteller BSI. Auch das Thema Self Service gewinne an Wichtigkeit, so Becker: „KundInnen wollen Einsicht in ihre Daten. Sie wollen ihre Interessen, Abos und Verträge selb- ständig verwalten können. Dann wird der Plattformgedanke das CRM in Zukunft noch stärker prägen. Unternehmens- oder gar branchenübergreifende Ökosysteme werden im CRM abgebildet – mit einem Ziel: die Perfektionierung der Customer Experience.“ Für realistisch hält Korb smarte Kombinationen aus getriggerten Flows, die die Next Best Actions und Guided Selling unterstützen: „Da haben Zoho, SugarCRM, Oracle und auch Salesforce Vorschläge gemacht, die Frau/Mann für sich für die Umsetzung prüfen sollte. Auch wenig beachtete Open-Source-Anbieter, wie SpiceCRM verdienen hier Beachtung“, rät er und formuliert in Richtung Hersteller als Wunsch: „Simplifizierte Zusammenstellung von Angeboten nach Interessentenwunsch und das direkt als unter- schriftsreifes PDF – das kann aktiv geleistet werden und wäre für 2022 wünschenswert. Damit bringen wir den Sales nach vorne.“ Die Zielvorgabe von Softwarelösungsseite klingt so: „Vorher- sagbarkeit sollte daher im Mittelpunkt des CRM stehen“, so James Frampton General Manager EMEA bei Sugar CRM. Denn wenn jede große Veränderung während einer Customer Journey erfasst werden könne, gebe das Unternehmen die Option, zukünftige Ergebnisse vorherzusagen. Genaue Vorhersagen ermöglichen es Unternehmen wiederum, bessere Geschäftsentscheidungen zu treffen, Risiken zu managen und Probleme und Chancen schneller zu erkennen und darauf zu reagieren. Unternehmen suchen den direktesten und gewinnbringendsten Kanal zu KundInnen. Auf der anderen Seite erwarten Konsu- mentInnen jederzeit und schnell Antworten. Die „digitale Unge- duld“ wächst. Bei der Gestaltung dieses Dialogs ist es wie bei der Kommunikation zwischen Menschen in einem Gespräch, erklärt Thomas Rudin, Geschäftsführer der Marketingagentur Schalk & Friends: „Es reicht nicht, dass sie zwei Ohren zum Zuhören haben, sie müssen auch tatsächlich zuhören, die Information verarbeiten und adäquat darauf reagieren. Die alte Strategie „ein Kanal – ein Unternehmen“ ist schon lange obsolet. Sie brauchen mehr als einen Kanal.“ Und es bedarf eines umfassenden Konzepts für den Kundendialog: Nicht nur, was KundInnen wollen, sondern auch, wie sie sich verhalten und in welchen Kontext sie sich aktuell befinden. Rudin. „Die Aufgabe des Unternehmens besteht nun also nicht mehr so sehr darin, ein einziges integriertes System zu schaffen, sondern ein Netz von Systemen und Prozessen zu entwerfen: ein Multi-Channel-Kundenmanagement-System.“ (cr)