30.11.2015 - Entertainer Jan Böhmermann hat es mal wieder geschafft. Mit seinem neuen Musik-Video "Ich hab Polizei" ist er in den Top-Ten der iTunes-Charts gelandet und etliche Medien berichten über ihn, offenbar auch wir. Ist er ein Selbstvermarktungs-Genie, oder passt er einfach nur in diese Zeit?
Jan Böhmermann ist offenbar ein Multi-Talent. Seine Fernseh-Show im Spartenkanal ZDF-Neo wird seit diesem Jahr auch im Hauptprogramm des ZDF ausgestrahlt, seit drei Jahren betreibt er mit Musiker Olli Schulz eine wöchentliche Radiosendung auf Hörfunk-Sendern der ARD, sein Buch "Alles, alles über Deutschland" (Kiepenheuer & Witsch) erhielt im November eine Neuauflage, und nun der Musik-Video-Viralhit "Ich hab Polizei". Das Video, das in der Machart einer Hip-Hop-Produktion daherkommt und daher für viel böses Blut in der Szene gesorgt hat, hat nach nur vier Tagen bereits 3,9 Millionen Views erreicht.
Aber ist der Song musikalisch besonders wertvoll, oder sind die Texte so smart? Die Produktion klingt sehr solide. Böhmermann hat selbst gesagt, dass er zuvor noch nie ein so aufwendiges Video drehte und dass er dafür auch Unterstützung von einem Hip-Hop-Produzenten erhielt. Vielleicht passt der Song einfach gerade in die Zeit: Hip Hop boomt schon länger, und durch Terroranschläge und Flüchtlingsströme wird die Rolle von Polizei und Staat durch die Gesellschaft gerade neu bewertet. Böhmermann war also vielleicht einfach nur schnell und hat die Zeichen der Zeit gut erkannt.
Zuvor in diesem Jahr hatte Jan Böhmermann mit dem Varoufakis-Stinkefinger aus der Günther-Jauch-Sendung bereits schnell reagiert und einen nationalen beziehungsweise internationalen Hit gelandet. Während der griechische Finanzminister behauptete, sein Stinkefinger bei Günther Jauch sei eine Fälschung, produzierte Böhmermann ein Video mit der Behauptung, er selbst habe diese Fälschung produziert. Und Günther Jauchs Redaktion sei darauf hereingefallen. Erschreckend viele deutsche Medien haben die Satire nicht verstanden und sich ernsthaft gefragt, ob Böhmermann den Finger wirklich gefälscht hat. Aber tatsächlich wurde offenbar von der ARD-Redaktion um Jauch nur ein veraltetes Video in einen falschen Zusammenhang gesetzt. Mehr hat es an Fälschung nicht gegeben, aber Böhmermann erlangte einen Höhepunkt seiner Berühmtheit.
Ist es wirklich hohe Kunst, mit der Jan Böhmermann auftrumpft? Eigentlich nicht. Es überrascht, dass es derzeit in der deutschen Medienlandschaft keinen anderen gibt, der auch nur annähernd so viel Aufmerksamkeit auf so vielen Kanälen erzielt. Böhmermann geht dabei allerdings auch smart vor. In seiner Radio-Sendung mit Olli Schulz testet er gelegentlich Themen, die dann später in der Fernsehshow zu sehen sind. Andersherum ließ er dort gestern aber auch ganz selbstverständlich die B-Seite seiner Polizei-Songproduktion spielen, obwohl er sein Gegenüber Olli Schulz gerne mal dafür ermahnt, wenn dieser sich seine eigene Musik im Radio wünscht oder eigene Produktionen in der Sendung bewirbt, die übrigens "Sanft und Sorgfältig" heißt.
Böhmermann macht sich regelmäßig über Phänomene der Jugendkultur lustig, zum Beispiel über den Youtube-Star Sami Slimani, oder eben nun Hip-Hop. Die meisten seiner Fans sind aber eher jünger. Er ist offenbar noch jung genug (Jahrgang 1981), um bei jungen Leuten beliebt zu sein, aber auch alt genug, um sich bei seinen Vorgesetzten im öffentlichrechtlichen Rundfunk durchsetzen zu können (er begann seine Karriere als Volontär bei Radio Bremen). Er passt also vermutlich momentan sehr gut in unsere Zeit und weiß dies zu nutzen. (db)
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